In Eckpunkten steht die Gesundheitsreform 2006. Von öffentlicher Seite hagelt es Kritik gegen Beitragserhöhungen und mangelnde Reformfreudigkeit. Doch auch im Detail hält der Entwurf Überraschungen bereit.
So heißt es unter anderem: "Bei selbst verschuldeten Erkrankungen – zum Beispiel nach Schönheitsoperationen, Piercings, Tätowierungen – muss verstärkt von Möglichkeiten der Leistungsbeschränkung Gebrauch gemacht werden.“
Jährlich werden etwa 700.000 plastische Operationen in Deutschland durchgeführt. Was bedeutet die neue Regelung im Einzelnen? Was ändert sich und worauf sollten Patienten achten? Im Interview dazu: Dr. med. Hans-Detlef Axmann, Facharzt für Plastische Chirurgie und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie.
"Es ist ja mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass die Ausgabenbegrenzung für den gesamten Bereich der Gesundheit in Deutschland nur durch Leistungsbeschränkungen erreicht werden kann. Also beginnt die große Koalition jetzt, die Allgemeinheit daran zu gewöhnen, und zwar dort, wo es zunächst einmal am wenigsten weh tut. Würde man entscheiden, dass die Kosten für die Behandlung von selbstverschuldeten Sportunfällen auch selbst getragen werden müssen, ginge ein Aufschrei durch die Bevölkerung. Ästhetisch-Plastischen Operationen haftet ein unbegründetes aber vielfach gepflegtes Negativimage an. Deshalb wird diese Gesetzesvorlage bei den Wählern nicht auf Ablehnung stoßen."
"Sollte die jetzige Gesetzesvorlage tatsächlich so umgesetzt werden, ändert sich für die Praxis von seriösen Plastischen und Ästhetischen Chirurgen gar nichts. Der Facharzt kümmert sich sowohl um die vorangehende umfassende Beratung, die Operation als auch um die Nachsorge seiner Patienten. Anders sieht es natürlich für diejenigen aus, die im In- und insbesondere im Ausland ein vermeintliches Schnäppchen machen wollen. Für ein geringeres Behandlungshonorar wird im Problemfall auch ein geringerer Leistungsumfang geboten. Wenden sich diese Patienten dann zuhause an einen niedergelassenen Chirurgen oder an ein Krankenhaus, werden die Kosten dafür nicht mehr der Krankenkasse aufgedrückt werden können."
"Zunächst einmal: Jede Operation birgt das Risiko von nachfolgenden Komplikationen. So lassen sich bei chirurgischen Eingriffen beispielsweise Nachblutungen, Infekte oder unschöne Narbenbildungen nicht immer vermeiden. Unter den genannten 10% sind aber auch so genannte Bagatellkomplikationen subsummiert, die ohne eingreifende Nachbehandlung der Selbstheilung überlassen werden können. Grundsätzlich empfehle ich jedem Patienten, sich vorher genau zu informieren, welchen Leistungsumfang er für sein Behandlungshonorar zu erwarten hat. Zudem ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass jeder Arzt über eine entsprechende Haftpflichtversicherung verfügt."
"Im Grunde ist dieser Gesetzentwurf ein Versuchsballon, um die Stimmung im Land zu testen. Es beginnt mit einer kleinen Randgruppe. Wird das Prinzip von den Wählern positiv aufgenommen, kann diese Form der Selbstbeteiligung des Einzelnen auf wirklich kostenrelevante Kreise ausgeweitet werden. Dann spricht man nicht mehr von "Schönheitsoperationen" oder "Piercings", sondern das Gesetz betrifft plötzlich "selbstverschuldete Erkrankungen". Das kann ein weites Feld sein, vom Sportunfall bis zu den Folgen einer gesundheitsschädigenden Lebensführung. Für die Zukunft der Ästhetisch-Plastischen Chirurgie sehe ich keine nennenswerten Veränderungen.
Das öffentliche Auge blickt ohnehin geschärft auf diesen Bereich und der Leistungsumfang eines Facharztes für Plastische Chirurgie beinhaltet in der Regel die Nachbehandlung des Patienten. Schwerwiegende Komplikationen, die sich nicht direkt auf die Operation beziehen, wie zum Beispiel Thrombosen mit nachfolgender Lungenembolie, werden auch weiterhin als Notfälle von den Krankenhäusern behandelt. Die Kosten dafür übernimmt weiterhin die Krankenkasse."
Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.
Gesundheitsreform klassifiziert Schönheitsoperationen, Gesundheitsreform klassifiziert Schönheitsoperationen