Es ist schon ein klein wenig Paradox, dass demnächst der Geburtstag eines Medikaments gefeiert wird, das Geburten verhindert. Am 18. August 1960 kam in den USA die weltweit erste Antibabypille auf den Markt, ein Jahr später dann in Deutschland - und begann ihren Siegeszug rund um den Erdball. Die Idee für ein oral verabreichtes Hormonpräparat zur Empfängnisverhütung ist derweil sogar schon wesentlich älter: Bereits 1921 veröffentlichte der Innsbrucker Wissenschaftler Ludwig Haberlandt seine Idee von einem derartigen „Verhüterli".
Wenn man von einem Siegeszug spricht, dann ist damit eigentlich eine gesellschaftliche Aufbruchstimmung hin zur sexuellen Befreiung gemeint, den die Pille auslöste. Nach einer bedingt durch moralische Bedenken bestimmter konservativer Gruppen eher verhaltenen Startphase führte der Boom des Präparats in Westdeutschland zu einem Geburtenknick, einem drastischen Einbruch der Geburtenzahlen, die bis zum heutigen Tag auf diesem Niveau stagnieren. Anders in Ostdeutschland: Hier wurde die Antibabypille als „Wunschkindpille" angepriesen, mit dem jede Frau entscheiden konnte, wann und wie oft sie schwanger wird. Die moralische Entrüstung blieb dadurch aus, eine ausreichende Versorgung mit Krippenplätzen wendete zudem den Pillenknick ab.
Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erklärte die katholische Kirche unter dem damaligen Papst Paul VI. in der Enzyklika „Humana Vitae" (auch „Pillenenzyklika" genannt) der Antibabypille und anderen Verhütungsmitteln den Krieg, verbat ihren Anhängern gar jegliche Form der Kontrazeption. Unter dem Motto „Über die rechte Ordnung der Weitergabe des menschlichen Lebens" wurde propagiert, dass der sexuelle Akt nur dann sittlich gut sei, wenn er der Fortpflanzung diene. Noch heute halten die ewig Gestrigen, allen voran Papst Benedikt XVI., an dieser Einstellung fest.
Der Beliebtheit der Antibabypille tat und tut dies selbstverständlich keinen Abbruch. Statistiken zufolge bedienen sich heute etwa 60 Millionen Frauen weltweit dieser Form der Verhütung; in Deutschland griff 2007 einer Erhebung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) zufolge etwa die Hälfte aller 20- bis 44-jährigen Frauen regelmäßig zur Pille.
Heute enthalten die Präparate wesentlich geringere Hormondosen als ihre Vorgänger. Dennoch sind Nebenwirkungen auch bei der Antibabypille zu beobachten. Zuletzt soll es im Zusammenhang mit den von Bayer-Schering verkauften Pillen Yaz und Yasmin zu Lungenembolien und sogar Todesfällen junger Frauen im deutschsprachigen Raum gekommen sein. Gerade im ersten Jahr der Einnahme können in vereinzelten Fällen Embolien auftreten. Eine weitere Besorgnis erregende Entdeckung machten Forscher derweil bei Fischen: Durch Rückstände synthetischer Hormone der Antibabypille, die über die Abwassersysteme in unsere Gewässer gelangen, soll es bei männlichen Fischen zur Ausprägung weiblicher Merkmale gekommen sein.
Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.