Schönheit und Medizin: Welche Gründe für eine Schamlippenkorrektur haben Sie festgestellt?
Fr. Dr. Berger: Vor allem stellen die Bekleidung, sportliche Betätigung und Geschlechtsverkehr die Gründe dar. Bei stärker vergrößerten Schamlippen ist es schwierig, enge Wäsche zu tragen oder sich entspannt zu bewegen, denn es tritt ständig ein Gefühl des Scheuerns auf. Betroffene Frauen schieben sich das überstehende Gewebe in die Vagina hinein, damit es nicht mehr stört. Sie müssen Angst haben, dass sie beim Tragen von Bikini oder String-Tanga in ein peinliches Erlebnis geraten, da der Gewebeüberschuss an den Seiten hervortreten könnte. Daher werden sie unsicher und gehen nicht mehr in Sportstudios, um sich den Blicken anderer Menschen zu entziehen.
SuM: Das sind doch sicherlich nicht die einzigen Unannehmlichkeiten, oder?
Fr. Dr. Berger: Ja, denn die Betroffenen haben Schwierigkeiten während des Sitzens, Gehens, Laufens, Fahrradfahrens, Reitens und während weiterer Aktionen. Sicher auch beim Geschlechtsverkehr. Dazu kommt, dass viele nicht mit dem Partner über die Schwierigkeiten sprechen können oder wollen. Sie müssen dann stillschweigend an den Problemen leiden. Schlimmstenfalls führt es zum Ende der Beziehung. Auch kann es wegen schlechter Beratung dazu kommen, dass eine Operation durchgeführt wird, die dann misslingen kann, wenn sie nicht geeignet ist. Es kann dann zu Komplikationen wie Infektionen kommen, die wiederholt das ganze Leben lang auftreten. Manchmal schneidet der Operateur zu viel Gewebe weg oder an der falschen Stelle, so dass asymmetrische Verhältnisse oder ungünstige Kanten möglich sind. Die richtige Operation beachtet stets die spezielle Anatomie und die Funktionen des Genitalbereichs. Darüber hinaus muss es selbstverständlich sein, mit einem Spezialisten über die Problematik sprechen zu können.
SuM: Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern?
Fr. Dr. Berger: Ich würde es begrüßen, wenn die Menschen ein anderes Bewusstsein zu der Thematik bekommen. Das gilt nicht nur für betroffene Frauen, sondern auch für die Ärzte der Fachgebiete, die sich mit dem Thema befassen - Gynäkologen, Urologen, Plastische Chirurgen. Es kann doch nicht so schwierig sein, Patientinnen auf ihren Intimbereich anzusprechen, wenn sie zu Standarduntersuchungen in die Praxis kommen. Sie müssten befragt werden, ob sie Schwierigkeiten durch vergrößerte Schamlippen oder durch Inkontinenz bei aufgeweiteter Vagina nach mehreren Geburten haben. Durch freies Reden über intime Probleme kann vielen Frauen sicher geholfen werden.
SuM: Möglicherweise hat es Vorteile für Sie, dass Sie selbst eine Frau sind und die Patientinnen Ihnen vertrauen?
Fr. Dr. Berger: Es gibt sicher auch männliche Ärzte, die sehr gut
auf Probleme der Frauen eingehen können. Aber es ist schon richtig, dass Patientinnen sich bei Ärztinnen, z. B. bei mir, wohler fühlen. Denn hier können sie die Probleme offen zum Ausdruck bringen, und ich kenne nicht nur die medizinische Seite der weiblichen Anatomie. Zumindest schildern die Frauen mir immer wieder, dass es ihnen sehr wichtig ist, dass die Operation von einer Frau durchgeführt wird und das Operationsteam aus weiblichem Personal besteht. Schließlich haben einige Patienten sehr starke Hemmungen dabei, wenn sie einem Mann ihr Genital zeigen müssen.
SuM: Wie sind Sie zu dem Expertengebiet der Genitalchirurgie gekommen?
Fr. Dr. Berger: Deutschland bietet keine spezielle Ausbildung der Genitalchirurgie an. Als Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie habe ich detaillierte Kenntnisse über die Intimchirurgie im Ausland bekommen, nämlich in Beverly Hills in den USA und in Brasilien. Dort sind die Fachleute ganz besonders versiert, so dass ich mir die Kenntnisse von den Besten aneignen konnte.
SuM: Was sind die Gründe außerhalb der Ästhetik, weshalb ein Eingriff ratsam wäre?
Fr. Dr. Berger: Die Frauen bekommen manchmal Probleme mit dem überschüssigen Gewebe, wenn sie Tampons verwenden. Der Urinstrahl kann abknicken, so dass die Intimhygiene unangenehm wird. Ebenfalls sind Tumore manchmal dafür verantwortlich, dass eine OP zur Rekonstruktion vorgenommen werden muss. Oft wird geglaubt, dass nur eine Verstümmelung an den Genitalien ein Operationsanlass in der Intimchirurgie ist. Das ist falsch. Es geht um das Alltagsleben der Betroffenen, um das Wohlbefinden, um die Funktionalität. Die ästhetischen Gründe rücken in den Hintergrund. Es finden meist Operationen aus gesundheitlich-funktionellem Anlass statt. Deshalb sollte die Finanzierung von der Krankenversicherung auch gewährleistet sein.
SuM: Ist das denn bisher nicht so?
Fr. Dr. Berger: Nein, denn die Krankenversicherung hält es für ästhetische Chirurgie. Sobald das Wort „Laser" vorkommt, scheint es für sie automatisch ästhetische Chirurgie zu sein. Die Schamlippenverkleinerung wird grundsätzlich nur für einen ästhetischen Eingriff gehalten. Irrtümlich hält sich die Denkweise, dass Frauen den Eingriff nur wegen des Aussehens machen lassen.
SuM: Die umstrittene Hymenrekonstruktion bieten Sie ebenfalls an. Was können Sie uns dazu sagen?
Fr. Dr. Berger: Dazu gibt es zwei unterschiedliche Patientinnengruppen. Eine der Gruppen sind meist Frauen aus dem arabischen Raum, deren Kultur und Tradition zu Problemen führen kann. Von ihnen wird erwartet, jungfräulich in die Ehe zu kommen. Dazu gehört die Hochzeitsnacht, bei der das Blut auf dem Laken erwartet wird. Fehlt das, dann bedeutet es eine Schande für die Frau und die Familie. Diese Frauen sind in einer gefährlichen Lage, sogar für Leib und Leben. Die Besonderheiten müssen wir respektieren und dort helfen, so gut wir können, denn es ist allgemein bekannt, dass das Jungfernhäutchen nicht nur durch den Kontakt mit einem Mann, sondern auch bei einem Unfall, bei der Hygiene oder bei sportlicher Aktivität verletzt werden kann. Oft fehlt auch einfach die Aufklärung bezüglich Sexualität und Schwangerschaft. Frauen geraten dadurch in Situationen, dessen Folgen sie nicht voraussehen können. Die andere Patientinnengruppe sind die Vergewaltigungsopfer, die ein sexuelles Trauma haben. Diese Mädchen und Frauen möchten das Hymen wiederhaben, damit sie selbst wieder die Wahl haben, mit welchem Mann sie ihr erstes Mal erleben möchten.
SuM: Ein weiterer Eingriff, den Sie anbieten, ist die Vaginalverjüngung und -verengung. Bitte erzählen Sie uns auch hierüber.
Fr. Dr. Berger: Grundsätzlich wird dabei der Kanal der Vagina straffer gemacht, damit die Lustempfindung für die Frau (und ihren Partner) verbessert wird. Außerdem dient der Eingriff der Behandlung der symptomatischen Blasen- und Mastdarmschwächung.
SuM: Welche Ihrer Behandlungsmethoden ist am gängigsten?
Fr. Dr. Berger: Das ist die Vaginalverengung. 40 Prozent aller von mir operierten Patienten bekamen eine Vaginalverengung zusammen mit einer Schamlippenkorrektur. Das ist die gewöhnliche Praxis, beide Eingriffe gleichzeitig zu machen. Leider ist eine andere Operation ebenfalls gängig geworden. Immer mehr Patientinnen finden sich bei mir ein, die eine Rekonstruktions-Operation benötigen, da ein vorheriger Eingriff misslungen ist.
SuM: Ist die Genitalchirurgie eine regelrechte Leidenschaft von Ihnen?
Fr. Dr. Berger: Ja, denn die meisten Ärzte finden sie sonst nicht notwendig. Sie haben sich niemals damit befasst, Frauen aller Bevölkerungsgruppen zu befragen, um zuverlässige Daten zu bekommen. Ich habe bereits mehrere hundert Frauen operiert, die ich alle interviewt habe. Besonders wichtig ist mir ein Thema. Während meiner Tätigkeit kommen immer wieder bemitleidenswerte Mädchen zu mir, welchen eine rituelle Beschneidung angetan wurde. Da ist nicht nur Nächstenliebe, sondern wirkliche Hilfe notwendig. Deshalb begründen wir zurzeit eine Stiftung, die sich mit karitativen Projekten zu dem Thema befasst.
SuM: Welche Ziele sind für Sie insgesamt wesentlich im Bereich der Genitalchirurgie?
Fr. Dr. Berger: Insbesondere ist mir wichtig, dass ein Umdenken geschieht. Die gewöhnliche Medizin beachtet Frauen mit sexuellen Funktionsschwierigkeiten und mit Schamlippenproblemen gar nicht. Bei den beiden Problemen bilden das Wohlbefinden und die Funktion den Schwerpunkt und nicht die ästhetischen Auffälligkeiten. Da viele einfach nicht Bescheid wissen, sind Missverständnisse vorprogrammiert. Aufgrund fehlender Kostenübernahme finden dann auch keine Operationen statt. Das kann nicht Sinn der Sache sein. Wir müssen den Menschen verdeutlichen, dass die Probleme realer Natur sind und mit modernen Methoden der Intimchirurgie mit Erfolg behandelt werden können.
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Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.