Das Nervengift Botulinumtoxin (Botox) ist zur Faltenbehandlung bei Schönheitsspezialisten seit vielen Jahren in aller Mund. Doch es kann noch viel mehr.
Hinter dem Handelsnamen Botox verbirgt sich der Wirkstoff Botulinumtoxin (BTX). Dieser entsteht durch Ausscheidungen des Bakterienstammes Clostridium botulinum, der schwerwiegende Nahrungsmittelvergiftungen (Botulismus) hervorrufen kann. BTX ist ein sehr starkes und hochwirksames Nervengift, das die Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln hemmt. Seit vielen Jahren ist Botox ein beliebter Wirkstoff in der Schönheitschirurgie. Er glättet Falten, vornehmlich im Gesicht, indem er in bestimmte Muskeln injiziert wird und diese ruhigstellt. Die hautglättende Wirkung war nur ein Nebeneffekt, der per Zufall entdeckt wurde. Für den medizinischen Einsatz wird das Nervengift milliardenfach verdünnt. Es wird vom Körper vollkommen abgebaut und hat, fachmännisch angewandt, kaum Nebenwirkungen.
Die ersten medizinischen Versuche mit BTX wurden bereits in den 1960er-Jahren durchgeführt. In Tierversuchen wurde nachgewiesen, dass das Nervengift Schielen, eine Störung des Gleichgewichts der Augenmuskeln, beheben kann. Seit 1980 ist diese Therapie auch am Menschen zugelassen. Angewandt wird sie aufgrund der schlechten Dosierbarkeit und der nachlassenden Wirkung heute nur noch in wenigen Fällen.
Im Einsatz gegen Spastiken zeigt Botulinumtoxin eine hervorragende Wirkung. Bei Patienten, die einen Schlaganfall erlitten haben, kann es in der Folge zu dauerhaften Muskelverkrampfungen (Spastiken) kommen. Häufig sind zum Beispiel die Muskeln der Hand verkrampft, sodass der Patient dauerhaft die Faust ballt. Botoxbehandlungen können hier helfen, dass der Patient die Hand wieder öffnen kann.
Bei der sogenannten zervikalen Dystonie (Schiefhals) kommt es immer wieder zu Krämpfen und unkontrollierten Kopfbewegungen. Dies ist auf eine Schädigung der Nervenzellen zurückzuführen und bislang nicht dauerhaft heilbar. Botulinumtoxin kann hier dafür sorgen, den Muskeltonus zu senken.
Hyperhidrose ist der medizinische Begriff für eine übermäßige Schweißproduktion. Auch hier zeigt sich Botulinumtoxin sehr wirkungsvoll. Betroffen sind häufig die Achseln, das Gesicht, die Handflächen und Fußsohlen. Mit vielen kleinen Einstichen wird das Präparat injiziert und beruhigt die Schweißproduktion.
Botox kann im Fall von mittelschwerer bis schwerer Akne helfen, das Hautbild zu verbessern. Das BTX bewirkt, dass die übermäßige Talgproduktion sich verringert, der Fettgehalt der Haut nimmt ab, die Poren verkleinern sich, Entzündungen gehen zurück. Auch kleinere Aknenarben können im Idealfall etwas geglättet werden.
Ständiger Harndrang kann für Betroffene sehr belastend sein und die Lebensqualität stark einschränken. Vor allem, wenn zusätzlich noch Inkontinenz hinzukommt. Botox kann sich auf die Muskulatur der Harnblase beruhigend auswirken. Die Blase kann wieder größere Mengen Urin aufnehmen und halten, sodass die Patienten seltener auf die Toilette müssen.
Seit einigen Jahren ist Botox als Migränemittel zugelassen. Für viele Menschen, die oft ihr Leben lang unter wiederkehrenden Migräneanfällen leiden, kann das Nervengift dann segensreich sein, wenn andere Medikamente nicht ansprechen oder nicht vertragen werden. Die Spritzen werden prophylaktisch verabreicht. Zwei Drittel der Patienten berichten von einer Besserung der Symptome, das heißt die Anfälle treten seltener auf und sind weniger schwer. Injiziert wird der Wirkstoff in Areale der Kopf- und Halsmuskulatur. In der Folge reduziert sich dort die Muskelspannung. Auch die Schmerzsignale werden damit blockiert.
Uneinig sind sich die Experten, was Botox bei depressiven Patienten bewirken kann. Verfechter behaupten, dass wenn sich Sorgen- und Trauerfalten glätten, sich gleichzeitig die Psyche entspannt. Tatsächlich sollen bei Frauen, die sich ihre Altersfältchen mit Botox behandeln ließen, die Depressionen zurückgegangen sein. Auch wenn bereits Studien durchgeführt wurden, reichen die Ergebnisse bislang nicht aus, um eindeutig zu beweisen, dass Botox bei klinischer Depression wirklich helfen kann.
Bei Parkinson kommt es häufig zu einem übermäßigen Speichelfluss. Dieser soll sich durch den Einsatz von Botulinumtoxin regulieren lassen. Auch der für die Krankheit typische Tremor (Zittern) lässt sich damit lindern. Die Forschung steht hier noch am Anfang.
Botulinumtoxin ist ein teurer Stoff, an dem Pharmafirmen gut verdienen. Für einige Krankheiten fehlen bislang noch ausreichend medizinische Studien, um eine Wirksamkeit zu beweisen. Langzeitstudien – vor allem im Hinblick auf die Nebenwirkungen, gibt es kaum. So wurde Botox zum Beispiel eine Zeit lang häufig gegen Zähneknirschen (Bruxismus) eingesetzt. Studien zeigen nun, dass das Nervengift möglicherweise den Kieferknochen angreift.
Die Krankenkassen übernehmen die Behandlung mit Botox nur in schwerwiegenden Fällen und nur dann, wenn Botulinumtoxin offiziell für diese Erkrankung zugelassen ist. Eine Behandlung mit Botox zeigt nie eine dauerhafte Wirkung. Der Effekt verliert sich im Lauf von mehreren Wochen, sodass die Behandlung immer wieder aufgefrischt werden muss.
aktualisiert am 17.10.2018