Das Äußere bestimmt maßgeblich die Identität eines Menschen. Wenn ein schwerer Unfall nicht nur Teile des Körpers, sondern auch die individuelle Identität und die Selbstwahrnehmung des Opfers zerstört, kann die Plastische Chirurgie dazu beitragen, wieder ein normales Leben zu führen. Ob es nun darum geht, Hautoberflächen bei Verbrennungsopfern zu rekonstruieren oder dem Gesicht wieder eine Form zu geben: Viele Entwicklungen, die die Plastische Chirurgie in den letzten Jahren stürmisch vorangetrieben haben, stammen aus dem Medical Valley. Der Gewebeersatz aus der Retorte (tissue engineering) und ein Verfahren zur optischen 3D-Oberflächenbildgebung sind prominente Beispiele.
Obwohl die Plastische Chirurgie bisher eine an Universitäten vernachlässigte Disziplin ist, gibt es in Erlangen seit Januar 2003 eine eigenständige Abteilung für Plastische und Handchirurgie. Professor Geldmacher hat hier bereits vor rund 25 Jahren als einer der deutschen Pioniere die Handchirurgie eingerichtet. Bundesweit hingegen lassen sich ähnliche Einrichtungen noch immer an den Fingern abzählen. Professor Dr. Raymund Horch, Leiter der Erlanger Abteilung, beschäftigt sich unter anderem mit der Züchtung von Haut. Dieses Verfahren stammt aus der Verbrennungschirurgie, einem Teilbereich der Plastischen Chirurgie.
Von der Universität Freiburg hat Horch für die "Haut aus der Tube" den Wissenschaftspreis erhalten, in Erlangen will er nun die Methode weiterentwickeln. Das Verfahren setzt er für Verbrennungsopfer mit großen zerstörten Körperoberflächen ein, die nicht mehr über genügend unverbrannte Haut verfügen, die direkt verpflanzt werden könnte. Ihnen wird stattdessen ein kleines Stück Haut entnommen, das im Labor bis zu einem 10.000-fachen vermehrt und dem Patienten zurückverpflanzt wird. Obwohl diese Methode theoretisch ausgereift war, bestand das Problem oftmals noch darin, dass der Gewebeersatz nach der Transplantation vom Körper nicht durchblutet wurde. "Wir machen in diesem Bereich Fortschritte?, erklärt Horch.
In Erlangen besteht eine stark ausgeprägte interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachabteilungen. "Durch diese Synergieeffekte konnten in der Abteilung Plastische Chirurgie bereits völlig neuartige Operationsverfahren erfolgreich durchgeführt werden, die bisher noch in keinem anderen Zentrum der Welt vorgenommen wurden?, berichtet Professor Horch. Bei plastischen Operationen setzt er beispielsweise auf minimal-invasive Chirurgie, die bisher noch eher selten verwendet werde. Diese so genannte Schlüssellochchirurgie ermöglicht durch endoskopische Verfahren mit feinen Kameras Operationen durch kleine Öffnungen. Zahlreiche Geräte und Training der Ärzte sind Voraussetzungen für ein Gelingen des Eingriffs. Professor Horch betont die Wichtigkeit qualitativ hochwertiger Methoden und Geräte. Die Ärzte der Abteilung Plastische und Handchirurgie an der Friedrich-Alexander-Universität Elangen (FAU) setzten zur Fettabsaugung Ultraschall- und Vibrationssonden ein.
"Die sind zwar kostenaufwändig, aber qualitativ besser als andere Methoden", erklärt Professor Horch. Trotzdem seien die Eingriffe niemals ohne Risiko, es bestehe stets die Gefahr von Blutungen, Entzündungen oder unschönen Ergebnissen. Gerade deshalb beklagt Horch: "So lange Zahnärzte an Wochenenden Brustoperationen durchführen, kommt es zu wahnsinnigen Qualitätsunterschieden." Denn die Berufsbezeichnungen "Kosmetischer Chirurg", "Schönheitschirurg" oder "Ästhetischer Chirurg" sind nicht geschützt. Nur ein "Facharzt für plastische Chirurgie" hingegen verfügt über eine 6-jährige, hoch spezialisierte Ausbildung.
Die Rekonstruktive Chirurgie ist ein wichtiger Teilbereich der Plastischen Chirurgie. Sie befasst sich mit der Wiederherstellung von Körperoberflächen nach Unfällen, Tumoroperationen oder aber mit der Behebung angeborener Fehlbildungen. Haut und Weichteile, Muskeln und Sehnen, Knochen und Knorpel müssen dabei rekonstruiert sowie periphere Nerven operiert werden. In erster Linie geht es bei diesen Eingriffen nicht um eine schöne Form, sondern vor allem darum, die Funktion der betroffenen Partien wieder herzustellen. So arbeitet auch die Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie der Universität Erlangen an einem interdisziplinären Projekt.
Seit 1998 entwickeln Naturwissenschaftler, Informatiker und Mediziner gemeinsam eine Methode zur optischen 3D-Oberflächenbildgebung. Eine Folge von rekonstruktiven Operationen im Gesicht kann oftmals ein reduziertes Mienenspiel des Patienten sein, wodurch seine individuelle Ausdrucksmöglichkeit und Kommunikation eingeschränkt wird. Mit der Erlanger Methode sind Vorhersagen der Gesichtsphysiognomie nach einer operativen Verlagerung des Ober- und des Unterkiefers möglich.
"Um einen repräsentativen Eindruck vom Gesicht eines Menschen zu gewinnen, ist das Profil nicht ausreichend. Wesentlich wichtiger ist das Halbprofil (social profile), das man sich von beiden Seiten anschauen kann?, erklärt Dr. Emeka Nkenke, einer der Teilprojektleiter in Erlangen. Dank der nicht-invasiven Aufnahme mit einem 3D-Sensor, durch die keine Strahlenbelastung entsteht, kann die Veränderung des gesamten Gesichts dreidimensional dargestellt werden. "Standardmethoden ermöglichten bisher nur eine Vorhersage des Profils, weil sie auf zweidimensionalen Daten beruhten."
Die Verlagerungen der knöchernen Kiefer führen zu einer erheblichen Veränderung der Gesichtsoberfläche, da die Verlagerung der Knochen und die des aufliegenden Weichgewebes nur selten in einem Verhältnis von 1:1 stehen. Berechnungen am Computer, die durch die Daten der 3D-Aufnahmen ermittelt werden, erlauben im Idealfall eine realistische Simulation, aus der die Richtung und die Strecke der notwendigen Knochenverlagerung klar hervorgehen, um eine gewünschte Form der Gesichtsoberfläche zu bekommen. So entsteht ein virtueller Patient, an dem einzelne Muskelbewegungen und sogar komplexe Gesichtsausdrücke vorausberechnet werden können.
Bei den meisten Patienten, die sich einem solchen Eingriff unterziehen, ist die Kaufunktion durch einen zu großen oder kleinen Unter- oder Oberkiefer eingeschränkt. Eine Operation soll zunächst einmal die Funktion verbessern, gleichzeitig soll aber auch ein annehmbares Erscheinungsbild erzielt werden. Die Methode kann auch für Unfallopfer und bei angeborenen Fehlbildungen wie Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten angewendet werden.
Ein besonders komplexer Bereich der Plastischen Chirurgie ist die Handchirurgie, die in Erlangen direkt in die Abteilung für Plastische Chirurgie eingegliedert ist. Obwohl die Hand flächenmäßig einen relativ kleinen Teil des menschlichen Körpers darstellt, ist sie im Alltag für eine Vielzahl wichtiger Funktionen verantwortlich. Die Zusammensetzung ihrer anatomischen Struktur aus Knochen, Gelenken, Muskeln, Sehnen, Nerven und Blutgefäßen macht die Hand zu einem äußerst komplizierten Organ. Der Einsatz mikrochirurgischer Techniken ermöglicht die Rekonstruktion von feinsten Nerven und Gefäßen, die Replantationen abgetrennter Finger und sogar den Fingerersatz durch Zehentransfer. Gelähmte Arme können durch Muskelverpflanzungen wieder bewegbar werden.
Die Schönheitschirurgie spielt unter dem kommerziellen Gesichtspunkt aber immer noch die größte Rolle in der Plastischen Chirurgie. Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) schätzt, dass in Deutschland im vergangenen Jahr 400 000 ästhetisch-plastische Operationen durchgeführt wurden. 80% der Patienten sind Frauen. Tendenz steigend. (Beitrag von Claudia Dürr, Medical Valley Observer)
Wenn Sie unter Plastischer Chirurgie nur die sog. Schönheitschirurgie verstehen, haben sie sicherlich Recht. Auf diesem Gebiet konkurrieren sehr viele niedergelassene Kollegen unterschiedlicher Fachrichtungen mit Privatkliniken. Nicht umsonst hat vor kurzem eine Privatklinik ihren Betrieb beendet. Eine Lücke sehe ich auf dem Gebiet der rekonstruktiven Plastischen Chirurgie. Ein gewisser Mangel bestand zum Zeitpunkt meiner Niederlassung besonders auf dem Gebiet der Eigengewebsrekonstruktion der weiblichen Brust nach Brustkrebsoperationen. Diese Lücke haben meine Kollegen und ich am St.-Theresienkrankenhaus in Nürnberg geschlossen.
Nach insgesamt 12-jähriger Weiterbildung in Allgemeinchirurgie, Plastischer Chirurgie und Handchirurgie und mehr als fünf-jähriger Tätigkeit als leitender Oberarzt einer Abteilung für Plastische Chirurgie habe ich die eigenverantwortliche Tätigkeit angestrebt. Am St.-Theresienkrankenhaus in Nürnberg hat sich für mich die Möglichkeit ergeben, nicht nur ambulant, sondern auch stationär weiterzubehandeln. Dadurch ist es mir möglich, auch größere Eingriffe wie zum Beispiel die Eigengewebsrekonstruktion der weiblichen Brust und größere wiederherstellende Eingriffe an den Extremitäten weiterhin durchzuführen.
In Zeiten der Geldknappheit der Krankenhäuser ist eine solche Kooperation zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern die ideale Lösung. Dadurch können auch mittlere Krankenhäuser ohne große Kosten und sehr wirtschaftlich hochspezialisierte Abteilungen wie zum Beispiel die Plastische Chirurgie vorhalten. Solche Spezialabteilungen benötigen natürlich ein großes Einzugsgebiet, wie es im Großraum Nürnberg-Fürth-Erlangen vorliegt. Für die Standortwahl Nürnberg haben auch private Gründe mitgespielt. Ich habe früher hier schon einmal für einige Jahre an einem Krankhaus gearbeitet und mich hier sehr wohl gefühlt.
Im Bereich der ästhetischen Chirurgie sind am häufigsten Faltenbehandlungen, Lidplastiken, Nasenkorrekturen, Brustvergrößerungen und natürlich die Fettabsaugung. Sehr im Kommen ist die Behandlung der Hyperhidrose (vermehrtes Schwitzen) in den Achselhöhlen durch die sogenannte Saugkürettage. Dadurch werden die überschüssigen Schweißdrüsen durch eine oberflächliche Fettabsaugung entfernt. Bei den Kassenleistungen sind sehr häufig die Entfernung größerer Hauttumore (zum Beispiel Basaliom) im Gesicht und die Defektdeckung mit Hautlappenverschiebungen, Brustverkleinerungen, die so genannte "kleine Chirurgie" und sämtliche handchirurgische Eingriffe.
Die Plastische Chirurgie ruht ja auf den Säulen ästhetische Chirurgie, rekonstruktive Chirurgie, Handchirurgie und Verbrennungsmedizin. Jeder Teilbereich hat in den letzten Jahren Veränderungen erfahren. Bei der Faltenbehandlung kam es in den letzten Jahren zu einem Boom, vor allem bei der Behandlung mit Bakteriengift Botulinumtoxin A. Hier sind Steigerungen von einigen 100 Prozent in den letzten Jahren zu verzeichnen gewesen. Die minimal- invasive Chirurgie hat auch in der ästhetischen Chirurgie Einzug gehalten und viele Operationen verbessert. Anwendungsgebiete sind das endoskopische Facelifting oder die endoskopisch unterstützte Brustvergrößerung. Eine wesentliche Verbesserung Verbesserung hat auch die Entwicklung narbenarmer Techniken bei der Brustverkleinerung bewirkt.
Im Bereich der Mikrochirurgie führte die Weiterentwicklung der Operationstechniken zu sehr schonendem freiem Transfer von Gewebe in Defektebereiche, so dass die Hebedefekte (dort wo das Gewebe entnommen wurde) keine große Rolle mehr spielen. Die Handchirurgie entwickelte viele neue Techniken zur Behandlung von Verletzungen oder Arthrose der Handwurzel. Durch moderne Operationen wie zum Beispiel Teilversteifungen kann sehr oft eine Restfunktion der Gelenke erhalten und eine totale Versteifung vermieden werden. Neue Metallimplantate wie zum Beispiel die Herbertschraube haben die Behandlung von Brüchen des Kahnbeines revolutioniert. Im Bereich der Verbrennungschirurgie bestehen die meisten Innovationen beim so genannten "Tissue engeneering" (Hautzüchtung) und der Entwicklung von synthetischem Hautersatz.
Die Region Nürnberg braucht sich nicht hinter den anderen Regionen Deutschlands verstecken. Die Leistungsfähigkeit muss aber der Öffentlichkeit noch mehr aufgezeigt werden durch Öffentlichkeitsarbeit wie sie zum Beispiel der Verein "Die Region Nürnberg e.V." durchführt. Dann müssen durch eine gute Besetzung von wissenschaftlichen Stellen noch mehr qualifizierte Personen für den Standort gewonnen werden. Nicht zu vergessen ist die Förderung der Industrie, denn gerade in der Biotechnologie ist die Forschung der Industrie nicht mehr wegzudenken.
Dr. Hans Bucher ist Facharzt für Plastische Chirurgie. Er war Leitender Oberarzt der Abteilung für Plastische Chirurgie in Dachau und hat seit 2002 eine Praxis und Belegabteilung für Plastische Chirurgie und Handchirurgie am St.-Theresienkrankenhaus in Nürnberg.
http://www.plastische-chirurgie-nuernberg.info
http://www.schoenheit-chirurgie-nuernberg.de
Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.
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