Dr. Radu (Mitte) mit seinem Team im Niger. Operation zu fünft bei 45 Grad Celsius. Hier wird mit Lupenbrillen operiert.
Was bedeutet Schönheit? Schönheit ist definiert durch jeweils geltende gesellschaftliche Normen, das können ein athletischer Körperbau, schöne Augen, schöne Haare sein.
Noma-Patienten sind die vergessenen Kinder Afrikas: Durch eine zunächst harmlose Infektion wird zum Teil das halbe Gesicht regelrecht zerfressen. Nur 20% überleben diese bakterielle Erkrankung mit grauenhaften Folgen überhaupt. "Schön" ist es also für einen kleinen Noma-Patienten, in etwa wie alle anderen auszusehen. Normales Aussehen sichert hier das Überleben.
Für die Überlebenden - zumeist Kinder - geht der Albtraum weiter, wenn sie nicht operiert werden. Sie sind stark entstellt und werden häufig von der Gemeinschaft verstoßen. Viele nigrische Stämme betrachten körperliche Entstellungen als Fluch und verstecken oder verstoßen die Betroffenen aus Scham.
Die erfolgreichste Bekämpfung der Krankheit wäre eine Verbesserung der Lebensverhältnisse in Entwicklungsländern, da sich Noma bei Nahrungsmangel und schlechter Hygiene ausbreitet. Im Frühstadium kann Noma mit Antibiotika behandelt werden. Bei fortgeschrittener Krankheit sind komplizierte "Schönheits-Operationen" notwendig, um Entstellungen und andere Folgen wie Kiefersperren zu korrigieren. Dies ist in Entwicklungsländern wie Niger jedoch meist nicht möglich, da die Mittel dazu fehlen.
Um Noma-Patienten wieder ein Gesicht zu geben, reiste vor einem Monat ein deutsches Ärzteteam im Rahmen der "Hilfsaktion Noma e.V." in den Niger, erstmals um hier mikrochrurgische Operationen durchzuführen. 30 Kindern konnte geholfen werden.
Ein Kind mit Noma berichtete zum Beispiel, dass es von Dorf zu Dorf lief, um Essen aus Töpfen zu stehlen, da es von seiner eigenen Gemeinschaft ausgestoßen war. Es wurde überall verscheucht, wenn es erwischt wurde. Nach einer plastischen Operation jedoch wurde es in seinem Dorf wieder aufgenommen, und durfte mit allen anderen aus der gleichen Wasserschale trinken, was ihm vorher nicht erlaubt war.
Vor gut einem Jahr, am 10.04.2002, ist die Klinik "La Magia" in Niamey mit deutschen Spendengeldern eröffnet worden. Damit wurden aufwändige "Schönheitsoperationen" auch vor Ort möglich. Damit konnten nun Operationen im Niger ermöglicht werden. Zuvor mussten Patienten zur OP nach Deutschland geflogen werden.
In mehrstündigen aufwändigen Operationen müssen die Chrirurgen ihr ganzes Geschick aufbieten, um fehlende Gesichtsteile zu rekonstruieren, denn die Vernarbungen bei Noma führen zu Kau- und Essstörungen (orale Inkompetenz), Kiefersperre (Trismus und Kiefergelenkankylose), Teilverlust der Nase sowie "Triefauge" (Ektropium). Mal fehlt die komplette Wange, mal müssen regelrecht "Löcher versorgt" werden." Dazu werden so genannte Lappentransplantate zum Beispiel aus der Rückenregion oder vom Unterarm übertragen. Bei den Kindern ist anschließend eine intensive Nachbetreuung erforderlich.
Welche Bedeutung die Noma-Klinik für den Niger und ganz Westafrika hat, zeigte auch der höchstpersönliche Besuch des nigrischen Staatspräsident Mamadou Tandja (siehe Zeitunsgbericht). Die erste Noma-Klinik der Welt wurde auf Initiative der "Hilfsaktion Noma e.V." mit finanzieller Unterstützung von Sternstunden, der Benefizaktion des Bayerischen Rundfunks, der "Peter-Ustinov-Foundation", "Hellef ouni Grenzen" (Luxemburg) und vielen anderen Spendern gebaut.
Bericht über die deutsche Noma-Klinik und den Besuch des nigrischen Staatspräsidenten in der Zeitung "Le Sahel", N° 6538 vom 5.August 2003
Noma (cancrum oris) beginnt meist an der Wangenschleimhaut mit der Bildung von Geschwüren und zerstört das betroffene Gewebe. Von dort befällt Noma auch tiefere Gewebsschichten wie Muskulatur und Knochen und breitet sich über das gesamte Gesicht aus. Dies kann zu einer Beeinträchtigung aller körperlichen Funktionen, wie Essen, Sprechen, Riechen, Sehen und Hören führen. Im schlimmen Fällen kann den betroffenen Patienten regelrecht das "halbe Gesicht abfallen" (ausbrennen), es bilden sich riesige Löcher in den Wangen, oder die Zunge liegt frei.
Das Immunsystem von Nomapatienten ist meist durch Unter- bzw. Mangelernährung oder Infektionskrankheiten, wie zum Beispiel Masern, Malaria, Röteln und Meningitis (Gehirnhautentzündung) geschwächt. Dies ermöglicht Bakterien in der ersten Phase von Noma, sich in Mund- und Nasenschleimhäuten anzusiedeln und Entzündungen hervorzurufen. Zu diesem Zeitpunkt kann die Krankheit noch mit Mundspülungen und Antibiotika bekämpft werden. Obwohl Noma eine bakterielle Erkrankung ist, sind keine Übertragungsfälle bekannt.
In der zweiten Phase der Krankheit entwickeln sich rote bis purpurne, verhärtete Knötchen in den befallenen Mundregionen. Die Entzündung breitet sich auf andere Weichteile, wie Lippen und Wangen aus. Das betroffene Gewebe schwillt an, der Erkrankte leidet unter hohem Fieber, starken Schmerzen, Eiter und fauligem Mundgeruch.
Vor allem Kleinkinder verweigern bedingt durch die Schmerzen in der 3.Phase der Erkrankung die Nahrungsaufnahme: Viele verhungern einfach. Die gestörte Blutversorgung führt zum Ablösen des erkrankten Gewebes von den Gesichtsknochen. Der Knochen selbst löst sich in vielen Fällen auf. Über die nächsten 2 bis 3 Tage ist im Gesicht eine schwarze Verfärbung sichtbar.
Nach etwa einer Woche stirbt das betroffene Gewebe ab und löst sich in der 4. und letzten Phase der Krankheit vom Gesicht.
Heilungsversuche des Körpers, die offenen Wunden durch Narbenbildung wieder zu schließen, führt häufig zur Kiefersperre. Das Essen wird dadurch äußerst erschwert oder unmöglich und viele Kinder verhungern in dieser Phase. Sie können selbstständig nicht genügend Nahrung aufnehmen oder dürfen aufgrund ihrer Entstellungen mit anderen nicht an einem Tisch sitzen. Außerdem sind Kiefersperren auch gefährlich, da die Kinder bei Erbrechen ersticken können. Nur operative Eingriffe können hier helfen.
Noma-Patientein vorher: an der linken Gesichtshälfte ist nichts auffälliges zu erkennen, aber auf der rechten Gesichtshälfte zeigt sich das Grauen.
Verlässliche Angaben zur Häufigkeit von Noma existieren noch nicht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt jedoch, dass zwischen 80.000 und 90.000 Kinder jährlich an Noma sterben (80%). Etwa 10.000 überleben die Krankheit mit verheerenden Folgen. In einem Entwicklungsland wie Niger kommen auf 100.000 Einwohner bis zu 14 Erkrankte. (Bericht: Andreas Frädrich, Nürnberg)
Dr. med. Caius Radu |
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Dr. med. Caius Radu ist Facharzt für Plastische Chirurgie und ordentliches Mitglied der Vereinigung der Plastischen Chirurgen Deutschlands (VDPC), der Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschlands (GÄCD) und der Deutschen Gesellschaft für Senologie.
Er ist als Belegarzt für Plastische Chirurgie am St. Theresien-Krankenhaus Nürnberg tätig, mit Praxissitz an der Klinik, sowie als Konsiliararzt für pädiatrische plastische Chirurgie an der Cnopfschen Kinderklinik in Nürnberg und als Konsiliararzt für wiederherstellende Brustchirurgie am Klinikum Fürth, beides akademische Lehrkrankenhäuser der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.
Ästhetische Medizin,