Eines der wichtigsten Parameter für die Behandlung ist das Alter des Patienten. Im jugendlichen Alter, bei Mädchen bis ca. 14 Jahren und bei Jungen bis 15 Jahren, ist die Beeinflussung des Wachstums durch sogenannte funktionskieferorthopädische Geräte (FKO-Gerät) gut möglich. Diese Geräte sind herausnehmbare "Spangen", welche von den Kindern und Jugendlichen am Tag und in der Nacht getragen werden müssen. Sie wirken nach dem Prinzip "form follows funktion", dass heisst durch die Umstellung der Muskulatur und der damit verbundenen Zugspannung der Sehnen am Knochenansatz wird dem Knochen ein Wachstumsimpuls gegeben und dieser zu einem Mehrwachstum angeregt.
Bei einer Rücklage des Unterkiefers beispielsweise wird durch Vorverlagerung mittels eines FKO - Gerätes im Kieferwinkel durch den muskulären Zug ein Wachstumsreiz auf den Unterkiefer ausgelöst und die Rücklage durch das folgende Mehrwachstum ausgeglichen. Bei einer Vorverlagerung des Oberkiefers zielt die Therapie darauf ab, das Wachstum des Oberkiefers zu hemmen. Auch hier kommen herausnehmbare Geräte zum Einsatz.
Zu diesen FKO - Geräten zählen zum Besipiel Aktivatoren und Bionatoren. Oftmals werden diese Geräte mit extraoralen Hilfsmitteln (zum Beispiel Headgear) kombiniert. Einen ähnlichen Effekt erzielt man auch mit bestimmten fest eingesetzten Geräten. Diese werden in eine vorhandene Multibandapperatur (so genannte feste Spange) eingegliedert oder singulär an den Zähnen befestigt (zum Beispiel Herbst - Gerät und Jasper - Jumper). Der Vorteil einer festsitzenden Apperatur ist natürlich die permanente Beeinflussung der Muskulatur über 24 Stunden. Diese Art der Wachtumsbeeinflussung ist nur bei Kindern und Jugendlichen möglich.
Bei Erwachsenen ist eine Wachstumsbeeinflussung durch FKO - Geräte nicht mehr möglich. Hier ist aber auch objektiv zu unterscheiden, wo die Schuld des Missverhältnisses liegt. Aufschluß gibt hier die Fernröntgenseitenaufnahme (FRS) und die Fotostatanalyse. Bei beiden Formen wird durch der Weichteilanalyse und der Röntgenanalyse durch die Vermessung bestimmter Punkte entschieden, welche therapeutische Maßnahme zum Zuge kommt.
Bei singulärer Vorlage des Oberkiefers, oft vergesellschaftet mit insuffizienten Lippenschluß ("Patient bekommt die Lippen nicht zusammen"), bietet sich oft die Extraktion (das Ziehen) von zwei Prämolaren (Vorbackenzähne) an. Der erwachsene Patient muß sich jedoch in diesem Fall einer Behandlung mit einer festsitzenden Apperatur, ( Multiband bzw. Brackets und Bögen ) unterziehen. Dadurch kann der sog. Überbiß durch Zurückbewegen der Front- und Eckzähne und Schließen der durch das Ziehen von zwei Zähnen entstandenen Lücken korrigiert werden.
Die Rücklage des Unterkiefers, welche knöchern bedingt ist, kann durch die oben genannte Therapie nicht verbessert werden. Durch das Ziehen von zwei Zähnen wird zwar auch eine Verminderung der Distanz der Oberkieferzähne zu den Unterkieferzähne erreicht, jedoch meist mit einem nicht sehr schönen Effekt auf die Weichteile und das Profil (verstärkte Nasolabialfalte, einfallende Oberlippe).
Oft ist die Rücklage des Unterkiefers mit einem tiefen Biss vergesellschaftet. Bei starker Rücklage kommt es häufig zu Beschwerden im Kiefergelenk und der Muskulatur bis hin zu Schulter- und Kopfschmerzen. In diesem Fall ist eine kieferorthopädische Intervention sinnvoll und indiziert. In Kombination mit einer kieferchirurgischen Vorverlagerung kann der Unterkiefer in die richtige Position zum Oberkiefer gesetzt werden. Diese Operation wird übrigens intraoral durchgeführt, dass heisst ohne irgendwelche sichtbaren Eingriffe im Gesicht oder am Hals (oft wird von Patienten geäußert : "Weisheitszähne entfernen war schlimmer").
Die Kieferorthopädie übernimmt in diesen Fällen die Vorbereitung für die Operation und die Feineinstellung nach der Vorverlagerung. Denn die Zähne eines Erwachsenen sind natürlich im Laufe des Lebens unterschiedlich abgenutzt, es gibt Drehungen, Kippstände oder Lücken, die man kieferorthopädisch beherrschen kann. Gerade nach der Operation ist deshalb die richtige Zuordnung der Zähne für die Stabilität sehr wichtig. Nach einer solchen Therapie wird mit Hilfe von "Nachtspangen", dass heisst herausnehmbaren Platten für den Ober- und Unterkiefer die neue Situation gefestigt und gehalten (so genannte Retention ).
Sowohl im Kindes- bzw. Jugendalter, wie auch beim Erwachsenen stehen der Kieferorthopädie eine Vielzahl von therapeutischen Möglickeiten zur Verfügung. Vor einer größeren prothetischen Arbeit durch den Zahnarzt ist es deshalb für den Erwachsenen oftmals ratsam, eine ungenügende "Überbißsituation" vom Kieferorthopäden anschauen zu lassen. (Thomas Cawi, Kieferorthopäde, Nürnberg)
Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.
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