Die Wahl der operativen Methode beim Mammacarcinom (Brustkrebs) hat sich in erster Linie daran zu orientieren, den Tumor mit der größtmöglichen Sicherheit zu entfernen. Ästhetische Gesichtspunkte müssen hierbei immer eine sekundäre Rolle spielen. Wenngleich heute die brusterhaltende Chirurgie im Therapiespektrum des Mammacarcinoms ihren festen Bestandteil hat, muss dennoch bei vielen Frauen in Abhängigkeit von Tumorart, Lokalisation und Ausdehnung die befallene Brust vollständig entfernt werden.
Es steht außer Frage, dass für jede Frau die Mammaamputation ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von ungeheuerlicher Tragweite bedeutet. Sie durchläuft ein seelisches Trauma von individuell starkem Ausmaß, welches oft erst nach Jahren oder nie überwunden werden kann. Das Wissen um Rekonstruktionsmöglichkeiten dürfte mancher Frau den Schock der Brustabnahme erleichtern.
Auf dem Gebiet der Brustrekonstruktion hat sich in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung der Techniken ergeben. Gleichzeitig ist aber auch die Nachfrage nach dieser Art der Rekonstruktion bei betroffenen Patientinnen erheblich gestiegen. Durch Plastische Chirurgen wurden Techniken entwickelt, die es nahezu bei jeder Frau möglich machen, eine entsprechende Brustform wiederherzustellen. Alle Verfahren haben zum Ziel, das nach der Entfernung der Brust entstandene Gewebedefizit zu ersetzen. Einerseits liegt nach der Brustamputation eine ungenügende Menge Haut vor, andererseits fehlt das Brustvolumen.
Schon seit vielen Jahrzehnten wurde versucht, eine Brust mit körpereigenem Gewebe wiederherzustellen. Erst in den letzten 10 Jahren ist es Plastischen Chirurgen gelungen, einen Brustwiederaufbau mit körpereigenem Gewebe durchzuführen, ohne dafür wichtige muskuläre Strukturen am Unterbauch oder Gesäß opfern zu müssen. Der entscheidende Vorteil liegt darin, dass die Brust lediglich mit Haut- und Fettgewebe aufgebaut wird und die muskuläre Integrität sowohl der vorderen Bauchwand oder auch am Gesäß vollständig erhalten bleibt.
Der Haut-Fettgewebeblock wird lediglich mit den ihn versorgenden Blutgefäßen gehoben, diese von der ursprünglichen Blutversorgung vollständig abgetrennt, dann an die Brustwand transplantiert und dort zu einer Brust geformt. Die Gefäße werden unter dem Mikroskop an die Blutgefäße der Brustwand angeschlossen. Solche Transplantate werden Perforatorlappen genannt: Vom Unterbauch DIEP-Lappen (Deep Inferior Epigastric Perforator-Lappen) und vom Gesäß S-GAP-Lappen (Superior Gluteal Artery Perforator-Lappen).
65-jährige Patientin sechs Monate nach Brustamputation rechts. Vor der Rekonstruktion und ein Jahr nach Sekundärrekonstruktion rechts mit Eigengewebe vom Unterbauch als freies mikrovaskuläres Transplantat (DIEP-Lappen rechts) und Brustwarzenrekonstruktion.
42-jährige Patientin mit linksseitigem Brustkrebs. Vor der Operation (beide Abbildungen oben). Beide Abbildungen unten zeigen die Patientin sechs Monate nach hautsparender Brustamputation links sowie Sofortrekonstruktion mit Eigengewebe vom linken Gesäß als freies mikrovaskuläres Transplantat (S-GAP-Lappen links) und Brustwarzenrekonstruktion.
Diese Eingriffe zeichnen sich einerseits durch eine höchst anspruchsvolle operative Technik aus, andererseits vereinen sie für den Plastischen Chirurgen im besonderen Maße den Anspruch der rekonstruktiven Techniken sowie der ästhetischen Bedürfnisse an eine Brustrekonstruktion. Für viele Patientinnen ist diese Art der Brustrekonstruktion von entscheidendem Vorteil und sollte in der interdisziplinären Zusammenarbeit bei der Behandlung des Mammacarcinomes auch den Patientinnen mitgeteilt werden. Leider wird auch heute noch selbst in interdisziplinären Brustzentren die Plastische Chirurgie entweder überhaupt nicht, oder nur in sehr reduziertem Maße angeboten.
Es gibt heute sehr viele Möglichkeiten, eine Brust wiederherzustellen und die Patientinnen sollten auch die Möglichkeit haben, durch einen Plastischen Chirurgen das gesamte Spektrum der Brustrekonstruktion angeboten zu bekommen. Welche der möglichen Operationsverfahren bei der jeweiligen Patientin zur Anwendung kommt, ist von vielen Faktoren abhängig und bedarf bei jeder Patientin einer individuellen Indikationsstellung. Die Eigengeweberekonstruktion hat gegenüber Implantaten große Vorteile. Durch die Einführung der Mikrochirurgie in die rekonstruktive Mammachirurgie und insbesondere durch die Entwicklung der Perforatorlappen konnten wesentlich bessere ästhetische Ergebnisse ohne funktionelle Beeinträchtigung der jeweiligen Patientinnen erzielt werden.
Vorteile der Perforatorlappen:
(Prof. Dr. Axel-Mario Feller, München)
Brustkrebs, Plastische ChirurgieLetzte Aktualisierung am 29.07.2015.
Plastische Chirurgen entwickeln neue, effektive Techniken, Brustkrebs, Plastische Chirurgie