Experteninterview mit Dr. med. Caius Radu, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Belegarzt am St. Theresien-Krankenhaus, Konsiliararzt Klinikum Hallerwiese, Konsiliararzt Klinikum Fürth - Kooperationspartner Brustzentrum.
Schönheit-und-Medizin: Das Brustzentrum Fürth wurde Ende Juli diesen Jahres zertifiziert und erfüllt somit die fachlichen Anforderungen der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Senologie. Worin besteht Ihre Tätigkeit als Plastischer Chirurg?
Dr. Radu: Die Zusammenarbeit mit dem Brustzentrum in Fürth besteht seit nunmehr 2 Jahren. Ich freue mich umso mehr, dass durch die Zertifizierung des Brustzentrums alle Anforderungen erfüllt wurden. Ein Brustzentrum versteht sich als interdisziplinäres Konstrukt aus verschiedenen Fachbereichen, welche in einer eng verzahnten Zusammenarbeit dazu beitragen, die an Brustkrebs leidenden Patientinnen nach den neuesten Erkenntnissen optimal zu versorgen. Als Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie sehe ich mich für den wiederherstellenden Bereich der weiblichen Brust nach Tumorerkrankungen zuständig.
Schönheit-und-Medizin: Könnten Sie uns den genaueren Ablauf erklären?
Dr. Radu: Patientinnen mit Verdacht auf Brustkrebs werden in Fürth in der Brustsprechstunde vorgestellt. Durch die Abteilungen für Gynäkologie, Radiologie und Pathologie werden alle erforderlichen Untersuchungen durchgeführt, um eine sichere Diagnose zu erhalten. Im Falle eines bösartigen Befundes werden nun die Richtlinien der Behandlung festgelegt.
Diese sind sehr individuell und werden in enger Absprache zwischen den genannten Abteilungen, sowie dem Onkologen und zu guter Letzt mit dem Plastischen Chirurgen abgestimmt. Wurde früher lediglich die Therapie des Brustkrebses vordergründig anvisiert, so werden heute bereits im Rahmen der ersten Gespräche auch die wiederherstellenden Maßnahmen angeboten.
Schönheit-und-Medizin: Was bedeutet dies für die Patientin?
Dr. Radu: Durch die enge Verzahnung der operativen Fachgebiete Gynäkologie und Plastische Chirurgie ist es möglich, bei der Patientin im Rahmen der Erstoperation, bei der es um die Beseitigung des Brustkrebses geht, auch die Rekonstruktion durchzuführen. Hierbei kann man grob 4 verschiedene Rekonstruktions-Möglichkeiten unterscheiden.
Im Falle einer kleineren Tumorgröße und einer entsprechend großen Brust werden brusterhaltende Maßnahmen angewandt. Bei diesen kann mit Hilfe von onkoplastischen Operationen (brustformende und wiederherstellende Eingriffe) nach Entfernung der Geschwulst die Brust so neu geformt werden, dass sie eine ansprechende Form erhält. Sollte die Brust allerdings nicht erhalten werden können, so muß diese gänzlich wiederhergestellt werden.
Man kann unterscheiden zwischen Implantatrekonstruktionen und Eigengewebsrekonstruktionen, sowie den Mischformen zwischen diesen beiden Möglichkeiten. Patienten mit einer relativ kleinen Brust und ausreichend guten Haut-Weichteilverhältnissen, wie zum Beispiel nach einer hautsparenden Entfernung der Brust, können sich für eine Implantat- oder Expander-Implantatrekonstruktion eignen.
Im ersten Falle würde als Ersatz für das entfernte Drüsengewebe ein Silikonkissen eingebracht werden, im zweiten Falle würde bei unzureichenden Haut-Weichteilverhältnisse die Haut mit einem Gewebedehner (Expander) vorgedehnt werden und in einer weiteren Operation gegen ein endgültiges Implantat ausgetauscht. In Fällen von unzureichenden Haut-Weichteilverhältnissen, wenn zum Beispiel sehr viel Haut mit entfernt werden muß, oder aber bei Sekundärrekonstruktionen, bietet sich die Wiederherstellung mit körpereigenem Gewebe, gegebenenfalls mit Implantat an.
Schönheit-und-Medizin: Was versteht man genau unter einer Eigengewebsrekonstruktion?
Dr. Radu: Es gibt Regionen am Körper, von denen man sich Gewebe "borgen" kann, ohne dass ein Schaden entsteht. Im Falle der Brustrekonstruktion haben sich zwei Spendergebiete im Laufe der letzen 3 Jahrzehnte als sehr zuverlässig erwiesen. Zum einen kann der große Rückenmuskel und eine darüber liegende Hautspindel entnommen und durch einen Tunnel zur Brustwand eingeschwenkt werden, wobei meistens ein Implantat zusätzlich noch gebraucht wird.
Als weitere Möglichkeit kann man Gewebe vom Unterbauch entnehmen. Dieses kann entweder durch Untertunnelung der Bauchdecke zur Brust hochgeschwenkt werden, oder aber nach modernen mikrochirurgischen Techniken von der Durchblutung kurzfristig abgesetzt und unter zur Hilfenahme des Mikroskops an den Blutgefäßen des Brustkorbes wieder angeschlossen werde. Bei dieser Methode ist kein Implantat erforderlich.
Schönheit-und-Medizin: Wie läuft dieser Entscheidungsprozess im Einzelnen ab?
Dr. Radu: Nach genauer Analyse des vorliegenden Befundes, der anatomischen Gegebenheiten der einzelnen Patientinnen und in enger Rücksprache mit den anderen Fachabteilungen des Brustzentrums wird die Strategie festgelegt und der Patientin mehrere Optionen angeboten. Ich denke, es ist äußerst wichtig, daß man Patientinnen die Möglichkeit einer sofortigen Rekonstruktion nicht vorenthält. Gegebenenfalls kann die Rekonstruktion auch zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden.
Schönheit-und-Medizin: Was bedeutet die Sofort-Rekonstruktion für die Patientinnen?
Dr. Radu: Eine ausgedehnte Tumorentfernung an der Brust, oder sogar die Amputation ist ein verstümmelnder Eingriff, welcher die Patientinnen psychisch außerordentlich belastet. Die rekonstruktiven Maßnahmen dürfen auf keinen Fall mit den onkologischen Richtlinien kollidieren, denn in erster Linie steht die erfolgreiche Behandlung des Brustkrebses im Vordergrund. Wenn allerdings die Möglichkeit besteht, der Patientin in einer Sitzung "eine neue Brust" zu formen, so wirkt sich dies in sehr vielen Fällen positiv aus.
Schönheit-und-Medizin: Zum Schluß eine Frage zu den Kosten. Bezahlt die Krankenkasse diese Art von Eingriffen? Dr. Radu: In meinen Augen ist die Brustrekonstruktion bei Brustkrebs ein integraler Bestandteil der Therapie. Die Rekonstruktionen werden derzeit von den Kassen übernommen. Für die Patientinnen empfiehlt es sich, im Einzelfall eine Kostenübernahme bei der Versicherung zu beantragen.
Schönheit-und-Medizin: Vielen Dank für das Gespräch!
Dr. med. Caius Radu, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie |
Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.
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