Die Hand ist nicht nur ein lebenswichtiges Tast- und Greiforgan, sie wird auch vom Charakterbild ihres Trägers geprägt, ist Spiegel vieler allgemeinkörperlicher Erkrankungen und - da meist unbekleidet - häufig Eintrittspforte von Infektionserregern. Diese können ihren Kampf teils lokal austragen und sind dann für den Handchirurgen von besonderer Bedeutung oder können fernab von der Eintrittspforte ein globales Geschehen entfachen, das Ärzte aller Fachrichtungen zur maximalen operativen, medikamentösen und intensivtherapeutischen Behandlung zwingt.
Der Handchirurg muss deshalb über sein Spezialgebiet hinaus mit den Infektionserkrankungen vertraut sein, wenigstens an sie denken, soweit sie an der Hand eine Eintrittspforte finden oder sich widerspiegeln. Das Problem der Wundinfektion und der Eiterung ist so alt wie die Wundbehandlung selbst. Die ältesten Überlieferungen in Schrift und Bild lassen sich auf 2000 v. Chr. datieren und unterscheiden reine von unreinen Wunden.
Nachdem die Medizin durch die Entdeckungen der Antisepsis oder Asepsis sowie der Narkose revolutioniert wurden, etablierten frühe Pioniere Chirurgie die allgemeinen Prinzipien der Behandlung eitriger Infektionen an der Hand. Diese Prinzipien, entwickelt in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, haben bis heute ihre Gültigkeit behalten: Vorbereitung zur Operation durch Bad, tiefe Narkose, Säuberung des Operationsgebietes, Blutleere mit einer Esmarchbandage, Entfernung der erkrankten Anteile, vorsichtige Spülung, eventuell Wundnaht, postoperative Hochlagerung, frühe Bewegung im Bad und Ruhigstellung über Nacht.
Auch wenn heutzutage eine Ausbreitung der Infektion durch Antibiotika häufig vermieden werden kann, bleibt die Therapie der Wahl chirurgisch und folgt den fast ein Jahrhundert zuvor aufgestellten Regeln. Weniger als die Hälfte der Patienten können sich an eine der Infektion vorangegangene Verletzung erinnern. Entsprechend ist eine genaue klinische Diagnose anspruchsvoll und erfordert eine sorgfältige Untersuchung der betroffenen Strukturen und Abklärung der Ausbreitung des septischen Geschehens.
"Calor, Rubor, Tumor, Dolor, Functio laesa" (Überwärmung, Rötung, Schwellung, Schmerz, Funktionsverlust) sind die Kardinalsymptome einer Infektion. Im Falle einer Infektion der Hand treten Schmerz und Funktionsverlust frühzeitig auf. Schwellung ist meist vorhanden, aufgrund der anatomischen Verhältnisse jedoch häufig nicht am Ort der eigentlichen Infektion. Rötung der Haut tritt vor allem bei unter der Haut gelegenen Abszessen, seltener bei tiefen Prozessen, wie Sehnenscheidenentzündungen, Gelenk- oder Knochenentzündungen auf.
Funktionsverlust und die Haltung der Hand kann Aufschluss über die Lokalisation der Infektion geben. So weist eine leichte Beugehaltung der Finger mit schmerzbedingtem passivem Streckverlust auf eine eitrige Sehnenscheidenentzündung hin, Infektionen der Fingerzwischenräume führen häufig zu einer Abspreizhaltung der Finger. Eine Empfindlichkeit des Armes, bis hin zur Axilla kann auf eine aufsteigende Entzündung der Lymphbahnen hinweisen. Die Stelle der maximalen Druckschmerzhaftigkeit sollte auch der Ort der chirurgischen Intervention sein.
Ein konservatives (nicht-operatives) Behandlungsregime ist nur im sehr frühen Stadium der Entzündung vertretbar. Hier kann durch den erfahrenen Handchirurgen ein Behandlungsversuch mit Ruhigstellung, Kühlung durch feuchte Umschläge und effektive Antibiose gerechtfertigt sein, um eine Operation zu umgehen. Klopfende Schmerzen, eine schlaflose Nacht oder Anzeichen von Eiter sind jedoch absolute Operationsindikationen und können nicht durch Antibiotika allein therapiert werden.
Chirurgische Regeln von vor mehr als 100 Jahren behalten hier ihre Gültigkeit: Infektionen der Hand sollten wenige Stunden nach ihrer Entstehung operiert werden, da nur die frühe Operation schwerwiegende Komplikationen wie Zerstörung von Sehnen, Gelenken oder Knochen verhindern kann. Ziel der Operation sollte die Entfernung des erkrankten Gewebes und Säuberung der betroffenen Areale sein. Die anatomischen Besonderheiten der Hand machen hier die Erfahrungen und das Können eines ausgebildeten Handchirurgen unbedingt erforderlich.
Nach der Operation ist eine fachgerechte Nachbehandlung unerlässlich. Diese sollten die Ruhigstellung und Hochlagerung sowie eine frühe krankengymnastische Beübung einschließen. Wird eine Infektion nicht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und maximalem Einsatz behandelt, so entsteht eine "Handmine" wie es Schink - einer der ersten deutschen Handchirurgen - nannte.
Professor Dr. med. Margita Flügel studierte in Erlangen Medizin, ist Fachärztin für Chirurgie sowie Plastische und Ästhetische Chirurgie; sie habilitierte sich 1986 für das Fach Chirurgie und arbeitet seti 1993 als Chefärztin der Klinik für Handchirurgie und Plastische Chirurgie des Ev. Diakoniewerk Friederikenstift, Akademisches Lehrkrankenhaus, in Hannover
Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.
Handchirurgie - Infektionen der Hand führen zu Schmerzen und Funktionsverlust, Hand-Chirurgie - Infektionen der Hand führen zu Schmerzen und Funktionsverlust