Kleiner Junge mit frischer Noma
Viele Kinder in Afrika erleiden durch eine bakterielle Infektion, Noma oder auch "Wangenbrand" genannt, schwere Gesichtsverstümmelungen. Erneut bricht ein neunköpfiges Team der Anästhesiologie sowie der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums Bonn am 9. Februar um sieben Uhr vom Flughafen Köln/Bonn zu einem zweiwöchigen Einsatz nach Nigeria auf.
Im "Noma Children Hospital" in Sokoto operierte das ehrenamtliche Bonner Team bereits im Februar 2004 insgesamt 105 Patienten - Noma-Opfer, aber auch Kinder mit angeborener Lippenspalte, Verbrennungsopfer und Tumorpatienten. Noma ist eine Krankheit der Armut. Mangelernährung schwächt das kindliche Immunsystem, und eigentlich harmlose Mundbakterien können sich rasch vermehren. Die Infektion breitet sich immer weiter aus, zerstört Gewebe und greift Knochen an.
Die WHO schätzt, dass allein in Afrika pro Jahr mehr als 100.000 Kinder unter sechs Jahren an Noma erkranken und nur etwa jedes zehnte Kind überlebt. Sie sind für das ganze Leben gezeichnet - so auch Fathma (Name geändert), die vor zwei Jahren im Noma Children Hospital Hilfe fand. In dem Gesicht der jungen Frau fehlten Teile der Wange, Oberlippe, Oberkiefer- und Wangenknochen sowie ein Stück der Nase. Die Wange war eingefallen und zog dadurch das untere Augenlid herab. Oft haben Noma-Opfer durch die Vernarbungen auch eine Kiefersperre. Sie können ihren Mund nicht mehr öffnen und nur schwer Nahrung, meist nur in flüssiger Form, zu sich nehmen.
"Die Gelassenheit und Geduld mit der die Kinder und Angehörigen ihr Leid akzeptieren, haben mich sehr beeindruckt", sagt Kieferchirurg Dr. Torsten Erdsach, ausscheidender Oberarzt an der Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Im Rahmen eines internationalen Hilfsprojekts operieren viermal im Jahr hochqualifizierte Teams aus Deutschland und anderen europäischen Ländern am 1997 von der AWD Stiftung Kinderhilfe in Sokoto gegründeten Noma Children Hospital. Durch plastische Rekonstruktionen und Transplantationen stellen sie die zerstörten Gesichter der meist jungen Patienten weitgehend wieder her.
Bei ihrer Patientin Fathma verlagerten die Bonner Mediziner 2004 Gewebe von der Brust dorthin, wo Wange und Wangenknochen in ihrem Gesicht fehlten. Darauf aufbauend schlossen folgende Teams Stück für Stück den Defekt. "Für Afrika ist der Operationssaal dort sehr gut ausgestattet. So können wir alle unsere Patienten fast nach europäischem Standard versorgen", sagt Privatdozent Dr. Jörgen Bruhn, Oberarzt an der Bonner Universitätsklinik für Anästhesiologie und Mitglied des Bonner Teams. Die Mediziner schulen auch das einheimische Klinikpersonal und geben so Hilfe zur Selbsthilfe. Dieses betreut das ganze Jahr Noma-Opfer und kümmert sich um die Nachsorge und Weiterbehandlung der kleinen Patienten. Örtliche Chirurgen führen weniger komplizierte Operationen durch.
Die sechs Bonner vom Universitätsklinikum, ein Chirurg aus Belgien, ein Frankfurter OP-Pfleger und Teamleiter Professor Dr. Stefaan Bergé, Chefarzt am Universitätsklinikum in Nijmegen und vormals Oberarzt an der Bonner Universitätsklinik für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie, arbeiten für das Noma-Projekt Sokoto ehrenamtlich und opfern ihre Freizeit. "Die Familie zuhause hat dafür Verständnis, denn ein solcher Einsatz lohnt sich", sagt Kieferchirurg Erdsach.
Das Bonner Team erwartet wieder eine konstruktive Zusammenarbeit fernab des bürokratischen deutschen Gesundheitswesen in einem Team von Leuten, die alle das gleiche Ziel haben. Team-Betreuerin Karin Schröder unterstützt sie erneut, die Sprachbarriere zu überwinden, und in allen kleinen Alltagsdingen. Zudem freuen sich die Bonner auf die Kochkunst des einheimischen Kochs Baba und vor allem darauf, viele vertraute Gesichter wiederzusehen. Auch ihre Patientin Fathma haben die Ärzte jetzt noch einmal ins Noma Children Hospital eingeladen, um noch letzte feine Korrekturen in ihrem Gesicht vorzunehmen.
Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.
Die verlorenen Gesichter von Nigeria: Bonner Operations-Team hilft erneut Noma-Opfern,