Die Haut so wieder herzustellen, dass die Patienten damit möglichst komplikationsfrei leben können, das bleibt die größte Herausforderung bei Verbrennungsbehandlungen. Außer mit Eigenhauttransplantation helfen Plastische Chirurgen Brandverletzten heute mit der Verpflanzung von menschlichem Körpergewebe, das im Labor nachgebildet wird (Tissue Engineering). Von den etwa 10 000 Brandverletzten, die jährlich in Deutschland stationär behandelt werden, ist die Haut eines Drittels dieser Patienten so schwer geschädigt, dass sie in speziellen Brandverletzten-Intensiveinheiten behandelt werden müssen. Dank der Fortschritte in der intensivmedizinischen Behandlung und des Tissue Engineering kann die Verbrennungschirurgie dort das Leben vieler Schwerstbrandverletzter retten.
Doch auch wenn das Züchten von Ersatzhaut schon zur Routine gehört, sind die Spezialisten noch vom Ziel der Entwicklung eines Materials entfernt, das verschiedene Hautschichten gleichzeitig ersetzt (Compound Graft) und keine Abstoßungsreaktionen verursacht.
Heute werden großflächige Brandwunden vorübergehend mit Haut anderer Menschen bedeckt (glycerolkonservierte Spenderhaut von der Euro Skin Bank). Schon allein wegen der Gefahr einer Abstoßung müssen die tiefer verbrannten Areale aber letztlich mit Eigenhaut (Spalthaut) gedeckt werden, die einer möglichst nahe gelegenen Körperstelle entnommen wird. Wo die unverletzt gebliebenen Hautareale zu klein sind, kann Eigenhautersatz die Schutzhülle des Körpers wieder herstellen. Dieser Hautersatz steht erst nach etwa drei Wochen zu Verfügung, in denen Oberhautzellen (Keratinozyten) des Patienten mittels eines mehrstufigen Verfahrens in Nährlösungen kultiviert wurden. Das fertige Transplantat besteht aus drei bis sechs Zelllagen, die auf eine Trägerfolie gespannt sind. Schichten wie das subkutane Fettgewebe, Nerven und Gefäßsystem müssen dann vom Körper aus eigener Kraft neu gebildet werden.
Das Verfahren wurde 1975 erstmals beschrieben. Seit 1984 verschließen Plastische Chirurgen die Wunden mit solchen patienteneigenen Keratinozytentransplantaten und erzielen Einheilungsraten von 50 bis 80%. Die sorgfältige Vorabversorgung des Wundbettes mit Fremdhaut, auf die der Verbund eigener Hautzellen transplantiert wird, konnte die Einheilungsrate sogar auf 90% steigern.
Eine viel versprechende Methode, die aber leider noch nicht allen Verbrennungszentren zur Verfügung steht, kombiniert kultivierte Lederhaut (Dermis) mit kultivierter Oberhaut (Epidermis). Der Plastische Chirurg Steven Boyce aus Cincinatti entwickelte eine Ersatzhaut aus einer Kollagenmatrix mit kultivierten Bindegewebszellen (Fibroblasten), die aus der Haut des Patienten stammen. Darauf werden die gleichzeitig kultivierten Keratinozyten des Patienten im Labor aufgesät. Das Hautkonstrukt wird dann in einem Schritt transplantiert und führt zur rascheren und narbenärmeren Neubildung der Haut. Prinzipiell sind die derzeit zur Verfügung stehenden Verfahren noch mit Problemen behaftet. Dazu gehören Abstoßungsreaktionen und Schrumpfungstendenz der gedeckten Flächen, aber auch der hohe Preis. Allein die Kosten für die Oberhauttransplantate liegen bei 12 Euro pro Quadratzentimeter.
Außerdem ist die transplantierte Fläche anschließend für etwa fünf Wochen nur sehr gering belastbar, was die häufig notwendige Intensivpflege erheblich erschwert. Oberflächliche Verbrennungswunden zweiten Grades, also Wunden, die höchstens bis zur Lederhaut reichen, werden heute oft mit Präparaten versorgt, die aus der Eihaut von Schafen (Amnion) oder Schweinehaut kultiviert wurden. Hier dienen die Fremdzellen als Wundauflage, die zur Regeneration der Haut anregen. Dieser vorübergehende Hautersatz beschleunigt die Wundheilung und führt zu eher unauffälligen Narben.
Gute Ergebnisse konnten aber auch mit allogener Fremdhaut, also Ersatz aus menschlicher Haut, erzielt werden. Dabei wird die zuvor gereinigte Wunde mit einer Schicht von Keratinozyten oder Fibroblasten (Transcyte) bedeckt. Leider sind die beiden Verfahren noch nicht weit verbreitet. Narben und Narbenverziehungen (Kontrakturen) gehören zu den Spätfolgen von konservativ und operativ behandelten Verbrennungswunden. Die Narben von Schwerbrandverletzten müssen sogar meist über das gesamte weitere Leben hin behandelt werden. Eine Kombination von Dermisersatz und Spalthauttransplantaten führt hier zu verbessertem Narbengewebe.
Nachdem die Narbe ausgeschnitten wurde, wird eine Kollagen-Glykosamin-Schicht unter einer Silikonmembran aufgebracht (Integra). Nach etwa drei Wochen ist diese Matrix ausreichend mit Gefäßen versorgt, so dass die Silikonfolie abgezogen werden kann und dünne Spalthaut (Eigenhaut) aufgebracht werden kann.
Nachteile dieser Methode sind der hohe Preis von etwa 5 Euro pro Quadratzentimeter Integra und die Infektionsanfälligkeit. Trotz dieser Erfolge bedarf es weiterer Anstrengungen in Einrichtung und Ausstattung von Brandverletzten-Intensiveinheiten auf der einen Seite und der Entwicklung künstlichen Hautersatzes auf der anderen Seite. Der möglichst vollwertige Ersatz sollte wesentliche Eigenschaften menschlicher Haut erreichen und mit dem Wundbett in physiologischer Weise interagieren. Er wird wohl aus einer Kombination eigener Haut- und Bindegewebszellen mit hautähnlichen Unterlagen bestehen, die in einem Schritt transplantiert werden.
Vom gleichzeitigen Aufbringen von Wachstumsfaktoren verspricht sich die Fachwelt eine deutliche Beschleunigung der Wundheilung. (Universitätsprofessor Dr. med. Hans-Eberhard Schaller ist seit 1997 Chefarzt der BG-Unfallklinik für Plastische, Hand-, Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie an der Eberhard-Karls Universität Tübingen und spezialisiert auf die Chirurgie peripherer Nerven, der Hand sowie rekonstruktive plastische Chirurgie. Er gehört als Sekretär der Führung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen, DGPRÄC)
Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.
Brandverletzte profitieren vom Tissue Engineering, Plastische Chirurgie - plastischer Chirurg - Nervenverletzungen