Viele kosmetisch-chirurgische Eingriffe können heute bereits unter reiner Lokalanästhesie durchgeführt werden. Dies ist ein großer Vorteil für die Patienten, da Vollnarkose auch unter heutigen Bedingungen eine beträchtliche Belastung für den Organismus darstellt, der sich Patienten bei einem elektiven Eingriff nicht so gerne unterziehen. Voraussetzung für den Verzicht auf Vollnarkose ist in diesen Fällen die zuverlässige Erzielbarkeit von Schmerzfreiheit durch reine Lokalanästhesie.
Die Entwicklung der Tumeszenz-Anästhesie - auch Infiltrations-Anästhesie genannten Methode - durch den amerikanischen Hautarzt Dr. Jeffrey Klein ermöglichte nicht nur erstmals ambulante Fettabsaugungen, sie machte diese Operation auch deutlich sicherer. Jetzt zieht diese Methode weitere Kreise: Selbst komplizierte Operationen im Anal-Bereich können so ohne Vollnarkose durchgeführt werden.
Der Wiener kosmetische Chirurg DDr. Karl-Georg-Heinrich, der als einer der ersten in Österreich, gegen den Widerstand vieler Kollegen, die Tumeszenz-Anästhesie anwandte, sieht sich durch diese Entwicklung in seiner Arbeit bestätigt und informiert, welche Eingriffe heute ohne Narkose möglich sind.
Die Tumeszenzanästhesie (TA) hat schmerzfreies Operieren unter reiner örtlicher Betäubung erst möglich gemacht. Vor allem aus der kosmetischen Chirurgie und hier wiederum speziell bei der Fettabsaugung ist TA praktisch nicht mehr wegzudenken. Die ausreichende Infiltration der abzusaugenden Problemstellen mit Tumeszenzlösung und die Verwendung von gewebeschonenden Mikrokanülen erlauben die Durchführung des Eingriffs bei voll bewußtem und kooperativen Patienten. Damit ist eine präzise Formung der Problemzonen bei stehendem Patienten möglich.
Bei der Tumeszenz-Anästhesie wird das abzusaugende Fett mit einer Mischung aus stark verdünnter Kochsalzlösung, einem lokalen Betäubungsmittel (z.B. Xylocain) und kleinsten Mengen des Hormons Adrenalin infiltriert. Diese, nach ihrem Erfinder "Kleins Solution" genannte Lösung hat einen dreifachen Effekt: Sie betäubt höchst effizient das Operationsgebiet, das Adrenalin verengt die Gefäße und reduziert damit die Gefahr von Blutungen und die relativ große Flüssigkeitsmenge erleichtert das Absaugen des Fettes. Durch diese Methode konnte der kosmetische Eingriff seit ihrer Erfindung in den späten 80er Jahren wesentlich sicherer gemacht werden.
Bereits 1995 trug eine Arbeitsgruppe um C. William Hanke 1995 alles damals bekannte Daten- und Studienmaterial zu diesem Thema zusammen. Diese Meta-Analyse umfasste schließlich Daten von 15.336 Patienten. Da an manchen dieser Patienten mehrere Eingriffe durchgeführt wurden, ergab sich eine Gesamtzahl von mehr als 40.000 Operationen unter Infiltrations-Anästhesie. Eine Zahl also, die gute Schlüsse hinsichtlich der Sicherheit einer Methode erlaubt. Das Ergebnis war mehr als positiv: Bei keinem einzigen Eingriff kam es zu tödlichen oder lebensgefährlichen Komplikationen, es war keine einzige Spitalseinweisung notwendig. In sehr seltenen Fällen traten leichtere Komplikationen wie anhaltende Schmerzen nach dem Eingriff, Fieber oder starke Müdigkeit auf.
Alle diese möglichen Nebenwirkungen wurden mit einer Häufigkeit von weniger als 0,1% beobachtet. Das liegt weit unter dem Rest-Risiko jeder Vollnarkose. Auch die Erfahrung der vergangenen zehn Jahre bestätigt diese Daten. Bis heute wurde weltweit kein einziger Todesfall bei Operationen in reiner örtlicher Betäubung mit Tumeszenz-Anästhesie dokumentiert. Sehr selten wurden Zwischenfälle durch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (z.B. Antidepressiva) beobachtet, die jedoch ohne bleibende Folgen verliefen. Dies deckt sich auch mit den Erfahrungen von DDr. Heinrich, der als einer der ersten in Österreich, die damals heftig diskutierte Methode anwandte.
In seiner Praxis führte DDr. Heinrich Fettabsaugungen an über 1.000 Patienten in Tumeszenz-Anästhesie durch, ohne dass dabei ernsthafte Zwischenfälle auftraten. Die Tumeszenz-Anästhesie zieht jetzt auch weitere Kreise. Den Umstand, dass man mit Tumeszenz-Anästhesie weit größere Areale anästhesieren kann als mit der herkömmlichen lokalen Betäubung, machen sich jetzt auch Chirurgen anderer Spezialisierungen zunutze.
Ein Team der Universität Würzburg untersuchte den Einsatz der Methode bei zum Teil großen Operationen im Anal-Bereich. Auch hier zeigten sich die Vorteile der Tumeszenz-Anästhesie: Ausgezeichnete schmerz- und blutungsstillende Wirkung. Alles in allem bestätigen immer mehr Untersuchungen das, was Dr. Klein 1997 im Editorial des Fach-Journals "Dermatologic Surgery" schrieb: "Der einzige Faktor, der die Sicherheit einer Fettabsaugung signifikant beeinflusst, ist die Methode der Anästhesie. Die Tumeszenz-Anästhesie, die ausschließlich mit lokaler Betäubung auskommt, ist sicherer als die Semi-Tumeszenz-Anästhesie, bei der zusätzlich generelle Narkose oder starke intravenöse Sedierung eingesetzt werden."
Um ausreichende Anästhesie der Körperregionen zu erzielen, müssen sie - entsprechend ihrer Empfindlichkeit - mit T-Lösungen unterschiedlich hoher Lidocainkonzentration infiltriert werden. Dabei stellt sich die Frage, wieviel Lidocain man gefahrlos infiltrieren kann, ohne toxische Wirkungen (kardiale, neurologische und gastrointestinale) inkauf nehmen zu müssen. Hinsichtlich der empfohlenen Dosierungen des Lidocains herrscht bis jetzt Unsicherheit, da es Dosierungsrichtlinien (z.B. der US-FDA) bis dato nur für die Gabe von unverdünntem Lidocain gibt.
Als Höchstdosis dafür hat zum Beispiel die FDA 7mg/kgKG festgelegt. Bei TA werden routinemäßig wesentlich höhere Dosierungen erreicht, ohne dass toxische Wirkungen durch das Lidocain auftreten. Abgesehen von der Frage der wissenschaftlichen Fundiertheit dieser FDA-Dosierungsrichtlinie liegt die Vermutung nahe, daß hochverdünntes Lidocain bei tumeszenter Anwendung im subkutanen Fettgewebe ein anderes Verteilungsverhalten zeigt, als unverdünntes 2%iges in hochvaskularisiertem Gewebe.
Aus der klinischen Erfahrung weiß man, daß toxische Wirkungen des Lidocains etwa ab einem Plasmaspiegel von 6Micg/ml in signifikanter Weise zunehmen. Welche Menge an Lidocain kann nun per TA verabreicht werden, damit man unterhalb dieses Plasmaspiegels bleibt? Es zeigt sich, daß erst Mengen ab ca. 60mg/kgKG regelmäßig zu Plasmaspiegeln führen, die mit toxischen L-Wirkungen assoziiert werden.
Was sind die Gründe für das unterschiedliche Verteilungsverhalten? Lidocain wird bei der TA in hochverdünnter Form ins subkutane Fettgewebe injiziert. Es ist lipophil und wird vom Fettgewebe aufgenommen, von wo aus es - durch die Adrenalin-bedingte Vasokonstriktion - in kleinen Mengen kontinuierlich in den Blutkreislauf abgegeben wird. Der Höhepunkt der Plasma-Konzentration an Lidocain wird bei TA übrigens erst nach ca 12 (!) Std. erreicht*. (Bei i.v.-Gabe von Lidocain wird der höchste Plasmaspiegel bereits wesentlich früher erreicht)
Die Konsequenz für die Klinik sollte sein, bei der Verabreichung von TA komfortabel unterhalb von 60mg/kgKG zu bleiben. Jeff KLEIN, der zu diesem Thema umfangreiche pharmakologische Grundlagenarbeit geleistet hat, empfiehlt als Grenzwert 55mg/kgKG*. Da bei Fettabsaugung weise Beschränkung hinsichtlich Anzahl der behandelten Regionen und Menge des abgesaugten Fettes wichtig ist, sollte man in den meisten Fällen weit unter diesem Wert bleiben können und denoch eine ausreichende Anästhesierung der zu behandelnden Regionen erzielen. DDr.Heinrich:"Bei den von mir durchgeführten tumeszenten Fettabsaugungen mit Mikrokanülen liegt die Gesamtmenge meist zwischen 12 bis 25mg/kgKG. Damit erziele ich ausreichende Schmerzfreiheit. Vollnarkose wird nie verabreicht, i.v.-Sedierung ist nur sehr selten nötig. Lidocainassoziierte toxische Wirkungen habe ich dabei nie beobachtet."
Vorausgesetzt wird, daß der Pat komplett gesund (ASA-Kl.1-2) ist. Auch das Geschlecht, Alter und Gesamtfettmenge des Patienten spielen eine Rolle bei der zulässigen Höchstdosierung. Ist der Pat nicht ganz gesund, muß evaluiert werden, inwieweit sein Krankheitszustand die Verfügbarkeit des Lidocains verändert. Lidocain wird über die Leber verstoffwechselt. Das zuständige Enzym ist Cytochrom450/3A4. Bei Leberfunktionsstörungen muß die L-Gesamtmenge reduziert werden. Bei gleichzeitiger Einnahme von Medikamenten die mit dem L. um dieses Enzym konkurrieren muß die Dosis ebenfalls entspr. reduziert werden. (Text: DDr.Heinrich)
*Literaturhinweis:
Klein, Tumeszent Technique, Mosby Inc. 2000
Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.
Lidocain-Dosierung bei der tumeszenten Fettabsaugung mit Mikrokanülen, Kosmetische Chirurgie ohne Komplikationen