"Haarausfall ist wie ein Krimi", meint der Hautarzt und Haarexperte PD Dr. Gerhard Lutz aus Bonn. Um den "Fall" aufzuklären, muss Kommissar Hautarzt den "Tathergang" genau rekonstruieren und zahlreiche Spuren verfolgen. Wer auffallend viele Haare verliert und überall "Spuren" hinterlässt, sollte die Ursachen bei einem Hautarzt abklären lassen, der auf Haarerkrankungen spezialisiert ist, empfiehlt Lutz.
Nicht immer, wenn wir Haare lassen, handelt es sich um krankhaften Haarausfall. Ein täglicher Verlust von 50 bis 70 Haaren ist durchaus normal. Denn jedes Haar durchläuft einen natürlichen Lebenszyklus: In der ersten (Anagen)phase wächst ein Haar zunächst mehrere Jahre lang und wird über die Haarzwiebel ernährt. In der nur wenige Wochen dauernden Folge(Katagen)phase wird die Versorgung des Haares gedrosselt und schließlich eingestellt.
In der letzten (Telogen)phase, die drei bis vier Monate dauert, wird das Haar aus dem Follikel ausgestoßen. Ein neues Haar beginnt zu sprießen; der Haarzyklus beginnt von vorn. Die Anzahl der ausgefallenen Haare ist nicht das einzige "Indiz? für einen Haarverlust, betont Lutz. Manchmal lichtet sich das Haar, nicht weil zu viele Haare ausfallen, sondern weil zu wenige nachwachsen.
Um den "Tathergang" zu rekonstruieren, wird der Dermatologe seinen Patienten zunächst ausführlich befragen: Seit wann beobachtet er oder sie den Haarverlust? Gibt es ähnliche Fälle in der Familie? Auch mögliche weitere Beschwerden, andere Erkrankungen oder eingenommene Medikamente wird der Haarexperte abklären. Dann wird der "Tatort? gründlich inspiziert: Lichtet sich das Haar überall auf dem Kopf oder nur in bestimmten Arealen? Fällt das Haar gar büschelweise aus?
Eine mikroskopische Untersuchung der Haarwurzeln - das Trichogramm - gibt Aufschluss, ob das Haarwachstum gestört ist. "Heute bietet ein digitalisierter Haarscan gute Möglichkeiten, auch das Verhältnis zwischen ausfallendem Telogen- und nachwachsendem Anagenhaar zu bestimmen?, erklärt Lutz. Blutuntersuchungen auf Entzündungszeichen, Hormonstatus oder auch auf einen Mineralstoffmangel liefern weitere "Indizien?. Lutz warnt die Betroffenen, sich selbst als "Detektiv? zu betätigen.
Selbstbehandlungen mit Haarwuchsmitteln aus dem Supermarkt sind oft nicht nur teuer und unwirksam; sie können obendrein sogar Allergien auslösen. Erst nach einer differenzierten Diagnosestellung kann der versierte Dermatologe speziell auf den "Fall? zugeschnittene Maßnahmen einleiten. Geheimratsecken und eine Tonsur bei Männern, ausgedünntes Haupthaar entlang des Scheitels bei Frauen sind typisch für eine vererbte, hormonell bedingte "androgenetische Alopezie?.
Der "kreisrunde Haarausfall? (Alopecia areata) tritt meist plötzlich auf und führt zu umschriebenen, kahlen Stellen auf der Kopfhaut, manchmal sogar zum kompletten Verlust des Haares, der Wimpern und Augenbrauen. Zugrunde liegt wahrscheinlich eine Fehlsteuerung des Immunsystems. Diffuser Haarausfall (Effluvium), bei dem sich die Kopfbehaarung insgesamt ausdünnt, kann ein "Alarmsignal? für verschiedene innere Erkrankungen sein, wie beispielsweise eine Schilddrüsenfunktionsstörung oder eine entzündliche Darmerkrankung.
Auch zahlreiche Medikamente lösen Haarausfall aus. Eisenmangel oder extrem einseitige Crash-Diäten können zu einer Unterversorgung der Haarwurzeln führen. Bei manchen Patientinnen ist der eigene Nachwuchs der"Täter": Hormonelle Veränderungen bewirken, dass nach einer Schwangerschaft zunächst verstärkt die Haare ausfallen; dies normalisiert sich jedoch meist von alleine wieder.
Letzte Aktualisierung am 04.02.2016.
Haarausfall,