Computerunterstützte Operationen, virtuelle Einblicke in den menschlichen Körper, bildliche Darstellungen der inneren Organe einer lebenden Person gehören in den medizinischen Alltag - so die medienvermittelte Vorstellung. Und tatsächlich sind rechnerbasierte Hard- und Softwarelösungen aus der Medizin nicht mehr wegzudenken, ebenso wie diverse bildgebende Verfahren. Was aber genau für verschiedenste Techniken sich dahinter verbergen, ist dem Laien und selbst dem Mediziner oft nicht bewusst. Wie etwa die Möglichkeiten, die die 3D-Oberflächen-Messtechnik im medizinischen Bereich bietet.
Hierauf ist die Firma 3D-Shape spezialisiert, wenn auch ihre Anwendungsgebiete weit über die Medizintechnik hinausreichen. 3D-Shape ist ein Spin-Off des Instituts für Optik, Information und Photonik der Universität Erlangen-Nürnberg aus der Arbeitsgruppe von Professor Häusler und entwickelt optische Sensoren, die unter anderem in der Chirurgie, der Orthopädie und der Dentaltechnik eingesetzt werden.
Mit dem Verfahren der Streifenprojektion können exakte Vermessungen von Kiefermodellen durchgeführt werden. Diese dienen etwa der genauen Merkmalsextraktion zur Vorbereitung, Durchführung und langfristigen Verlaufskontrolle bei der Behandlung von Gaumenspalten. Hierbei wird durch Punktevergleich der Arztkoordinaten von Aufnahme zu Aufnahme über Jahre hinweg ein quantifizierbares Verlaufsprofil erstellt. Auch Gebissabdrücke können durch das gleiche Messverfahren hochpräzise wiedergegeben werden und unter anderem als ein wichtiger Parameter bei der Simulation von Profilveränderungen vor Kieferoperationen in die chirurgische Planung eingehen. Die dreidimensionalen Abdrücke liefern hierbei wichtige Daten über die veränderbaren und unveränderbaren Partien des Gesichts.
Eine weitere Applikation ist das genaue Er-fassen eines Ohrabdrucks, der als Grundlage zur Herstellung von Hörgeräten dienen kann. Ein exaktes Modell der Ohrmuschel etwa lässt sich mit Hilfe geeigneter Reverse Engineering Software erstellen, die es erlaubt, aus verschiedenen 3D-Einzelansichten ein hochgenaues Gesamtmodell zu erstellen. Neben der Registrierung und Netzrekonstruktion ist damit die Visualisierung zur Datenanalyse und Netzbearbeitung möglich.
So auch bei Gesichtsoperationen, für die dreidimensionale Datenerhebung eine wichtige Voraussetzung ist. Als Forschungsprojekt der Erlanger Klinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie in Zusammen-arbeit mit dem oben genannten Institut werden Anwendungen dieser Scan-Technik für die Biometrie im Bereich der Gesichtschirurgie nutzbar gemacht. Dies kann die bereits erwähnte Beseitigung von Gaumenspalten sein.
Symmetrievermessungen unterstützen den Chirurgen darüber hinaus bei der Korrektur von Bulbusdislokationen nach Unfällen oder Tumoroperationen. Dabei ist das Ziel, den Augapfel in allen drei Dimensionen korrekt in der Augenhöhle zu platzieren. Das schnelle 3D-Mess- und Auswerteverfahren, das an Ort und Stelle durchgeführt werden kann, ermöglicht die Verlaufskontrolle während einer solchen Operation und liefert immediat wichtige Daten für das weitere Verfahren. Auch hier ist das Operationsziel die Herstellung von Symmetrie.
Nach solchen Bulbus-Operationen konnte eine langfristige Rezidivneigung im Millimeterbereich festgesellt werden, die in Zukunft berücksichtigt werden muss. Problematisch erweisen sich darüber hinaus bei Gesichtsoperationen die fehlenden Daten zum Verhalten des Weichgewebes, das nicht unbedingt der operativen Anpassung des Knochens folgt. Hier ist weitere Forschung erforderlich. Anhand der 3D-Daten können die jeweils gleichen Profilschnitte vor und nach der Operation miteinander verglichen werden, so dass die tatsächlich erreichte Veränderung genau quantifizierbar ist.
Über die genannten Applikationen hinaus können ebenso Rückenvermessungen zur Kontrolle von Wachstumsstörungen, sowie in der Forensik Schädelvermessungen zur Identifikation von Vermissten durchgeführt werden. Damit ist das Spektrum der Anwendungen allein in der Medizintechnik noch nicht erschöpft, beschränkt sich aber zur Zeit auf die konkreten Realisierungen im Rahmen von Forschungsprojekten oder Kooperationen. Es handelt sich also um eine offene Größe, deren genaue Grenzen sich in weiteren Jahren von Forschung und Entwicklung genauer definieren lassen werden. (Text: Sabine Schiffer, 3D-Shape GmbH: PD Dr. Dr. Emeka Nkenke, Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie der Universität Erlangen-Nürnberg).
Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.
Gesichtschirurgie - Optische 3D-Sensoren helfen bei Diagnostik und Therapie, Medizintechnik: Optische 3D-Sensoren helfen bei Diagnostik und Therapie