Ob altersbedingt, durch Parodontitis, Unfälle oder Krankheiten wie Diabetes: Irgendwann im Leben trifft es jeden - Zahnverlust. Zur Rekonstruktion fehlender Zähne bewährten sich seit drei Jahrzehnten besonders Zahnimplantate, da sie sich funktional, ästhetisch und fühlbar nicht von echten Zähnen unterscheiden. "In vielen Fällen existiert jedoch zu wenig Knochenmasse für einen optimalen Halt der künstlichen Zahnwurzeln. Heute gibt es zahlreiche chirurgische Techniken, um Kieferknochen aufzubauen, meist unter zusätzlicher Verwendung von körpereigenem oder künstlichem Ersatzgewebe", weiß Dr. Lutz Ricken, Fachzahnarzt für Oralchirurgie und ärztlicher Leiter des Qualitätszentrums Implantologie in Bad Wildungen.
Es gibt aber ein Knochendehnungsverfahren, das ohne zusätzliches Gewebe Kieferknochen bildet, die so genannte Distraktionsosteogenese oder kurz Distraktion. Bereits seit 30 Jahren in der Orthopädie bewährt, greift jetzt auch die Zahnmedizin auf die Dehnungsapparatur in verkleinerter Form zurück. Bedeutende Vorteile dieses Verfahrens zur Knochendehnung: Neben dem Knochen expandiert auch das Weichgewebe; eine Knochenentnahme in anderen Körperregionen muss der Arzt nicht vornehmen.
Wie funktioniert die Distraktion? Zunächst trennt der Arzt ein Stück des Knochens vom übrigen Kiefer und verbindet es mit dem Distraktor. Dieser besteht aus zwei durch eine Schraube verbundene Lochplatten, die den losgelösten und ortsständigen Knochen zusammenhalten. "Im so entstandenen Spalt bildet sich etwa eine Woche nach dem Eingriff eine noch elastische Vorstufe neuen Knochens, die sich nun schrittweise auseinander ziehen lässt. Dafür drehen Patienten mit Hilfe eines Aktivierungsschlüssels den Distraktor jeden Tag etwa einen Millimeter auseinander", erklärt Dr. med. Ricken die Funktionsweise des Verfahrens, das er bereits seit drei Jahren zur Knochengewinnung anwendet.
"Dieser Vorgang ist für Patienten völlig schmerzfrei." Nach Erreichen der im Voraus geplanten Knochenhöhe, bleibt der Dehnungsmechanismus zur Stabilisierung des noch weichen Knochens weitere vier bis sechs Wochen in seiner Position. Entfernt der Arzt anschließend die Konstruktion, setzt er im gleichen Eingriff bereits Implantate.
Vorteile des Verfahrens: Besonders bei größeren Knochendefekten bietet sich diese Methode an. Ohne Zuhilfenahme zusätzlichen Gewebes vermehrt sich sowohl das Knochenvolumen als auch das umliegende Weichgewebe. Somit entfällt die aufwändige Transplantatgewinnung und mit ihr der Volumenverlust, der nach Transplantationen grundsätzlich auftritt. Da vitaler Knochen gedehnt wird, bleibt außerdem das Infektionsrisiko sehr gering. "In den Händen eines erfahrenen Chirurgen ist dieses Verfahren mit geringen Risiken und einer hohen Erfolgsrate verbunden", weiß Dr. Ricken. Gedehntes Knochengewebe bietet Zahnimplantaten festen Halt und gewährleistet ein funktional und ästhetisch einwandfreies Gebiss.
Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.
Kieferknochenaufbau: Dehnung statt Transplantation, Kieferknochenaufbau: Dehnung statt Transplantation